Donnerstag, Juni 07, 2007

Der große Abschieds-Artikel


Semester-Abschiedsparty der englischen Universität. Die Party findet auf einem Schiff auf der Seine statt. Das Wort "englisch" steht in diesem Zusammenhang natürlich für ein sehr trinkfreudiges Völkchen, umso mehr, da auf dieser Party der Alkohol umsonst ist. Für den Eintritt soll man dagegen satte 35 Euro zahlen, für die meisten Kinder aus reichem Hause auf dieser kleinen aber exklusiven Uni ist das aber offensichtlich kein Problem. Ich selbst und auch mein Mitbewohner gehören nicht ganz in diese Kategorie und ziehen es vor, uns unbemerkt an Bord zu schleichen.

Für eine Pariser Party ist der Schwarzen-Anteil mit null hier ungewöhnlich gering. Aber englische Universitäten sind keine Bildungseinrichtung für die (bunte) Masse, sondern ein eher elitäres (weißes) System, dass natürlich auch mit einem vollkommen anderen Schlag von Studenten einhergeht. Hier studiert man konservativ, Werte-orientiert und mit einem ordentlichen Vermögen im Rücken (es sei denn man ist durch sehr gute Leistungen aufgefallen und genießt ein großzügiges Darlehen). Ein krasser Gegensatz zu den eher links orientierten Studenten in Deutschland, die in der Masse zwar oft ähnlich unsympathisch, dafür aber mit einem starken Sinn für Gerechtigkeit in aller Welt ausgestattet sind. Hier ist man vielmehr offen elitär.

Für die nicht gezahlten 35 Euro bekommen wir dann auch sehr viel "Englishness" geboten. Während der DJ im Rumpf der Barkasse bereits rotiert, stehen die jungen Mädels in ihren Ballkleidern und die jungen Herren mit Frack und Schlipps doch eher passiv da. Hier sieht wirklich jeder soo Englisch aus. Die Stimmung kommt erst langsam mit dem Alkohol.
Dann lösen sich die Herren langsam aus ihren distinguierten Konversationen mit Zigarre und diesem unwiderstehlichen, aber leicht gekünstelten Lachen (hust hust), das sie sich sicher von ihren Vätern, den Lords ihrer Majestät abgeschaut haben, und wagen sich an die ebenfalls scheuen, Rehkitz-gleichen (hust hust hust) Damen heran, die ihrerseits von verzücktem Gelächter erröten und ihre junge, erst neunzehnjährige, doch ach so weiße und sehr englisch-proportionierte Hand dem Herrn entgegenstrecken.

Das Ende des Abends versinkt dann im grauen Dunst.

Am Montag gab es Noten im Französisch-Kurs. Wir hatten eine Klausur mit vier Seiten zur Frage "Qu'est-ce qu'un acteur?" geschrieben und sollten nun, bevor wir die Noten bekämen, über unsere eigene Leistung im letzten Semester resümieren. Nachdem alle recht schüchtern erklärten, dass sie teilweise ganz zufrieden wären aber teilweise auch nicht genug geleistet hätten, war ich an der Reihe.

Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass meine Klausur nicht sonderlich verlaufen war und beschloss daher, nochmal zu versuchen das Ruder herumzureißen. Also begann auch ich erstmal mit einem kurzen Abriss über meine guten Leistungen. Aber dann, anstatt meine Schwächen zu betonen, fing ich an den Professor und seine Kursleitung zu kritisieren. Ich erklärte, dass ich mit seinen Hauptargumenten unserer über das Semester geführten Diskussion überhaupt nicht einverstanden wäre. Ich beschuldigte ihn, uns lediglich beweisen zu wollen, dass früher alles besser gewesen wäre und das seine Beweisführung absolut unzulässig wäre, weil er da ja Äpfel und Birnen vergleiche. Nach dem ich so ein paar Minuten vor mich hin argumentiert hatte unterbrach mich der Lehrer, erklärte "ja an Sie erinnere ich mich recht gut" und gab mir einen Extrapunkt. Ich beendete den Kurs mit der besten vergebenen Note.

Das war mein Jahr in Paris. Es ist noch nicht ganz zuende, doch die letzten zwei Wochen werden undokumentiert bleiben - nur ein paar Kleinigkeiten vorweg vielleicht: Ich muss noch einmal an die Uni: Meine Abreisebestätigung und die grandiose Liste mit all meinen belegten Kursen im Sekretariat abholen. Dann werde ich auch noch ein letztes Mal nach Creteil fahren, der freundlichen arabischen Bäckerin auf Wiedersehen sagen und meine Konto-Angelegenheiten mit meiner verhassten Bank (BNP-Paribas, damit alle gewarnt sind. Schlimmer ist nur noch Credit Lyonais) regeln.

Noch einmal werden am nächsten Wochenende fast alle meine Freunde aus der Zeit in Paris hier versammelt sein (zum Beispiel die im Bild oben). Diejenigen, die bereits abgereist waren, haben sich noch einmal für ein Wochenende angekündigt. Dann kommen noch drei Tage ausziehen und aufräumen und schließlich geht es wieder in Richtung Osten, ins Land der aufgehenden Sonne...

Nein - ich vergehe nicht vor Abschiedsschmerz. Ein bisschen traurig ist es aber schon. Schon allein, weil in der Heimat erstmal wieder lernen angesagt sein wird - ich habe genau 40 Tage um mich auf die nächsten Klausuren vorzubereiten. Dann, im Sommer werd ich wieder hier sein, in Paris warten noch mein Mitbewohner und meine alte Wohnung auf mich.

Bis dann. Und Danke für die Aufmerksamkeit!