Mittwoch, November 15, 2006

Man wundert sich...


Franzosen sind ein Volk mit gewissen sprichwörtlichen Eigenschaften - wie zum Beispiel dem legèren Umgang mit der Liebe und allem Körperlichen, was damit zusammen hängt. Dennoch würde ich mein jüngstes Erlebnis zu diesem Thema als höchst fremdartig einstufen.
Im Foyer meines Wohnheims lernte ich einen mittelalten Herren mit Halbglatze kennen, der schon seit fast zwei Jahren hier wohnt und in Paris arbeitet. Da ich Deutscher bin, bat er mich, ihn für einige Übersetzungen in sein Zimmer zu begleiten. Ich willigte ein.
Der Mann machte einen vollkommen harmlosen Eindruck auf mich und wahrscheinlich ist er es auch. Ich fragte ihn auf dem Weg, was es mit der Übersetzung auf sich hätte - ob es etwa für den Beruf sei oder ob er dabei wäre die deutsche Sprache zu lernen. Er winkte ab und erklärte, es sei nur eine kleine private Angelegenheit.
Wir erreichten sein kleines Einzelzimmer und beim Aufschließen entschuldigte er sich beiläufig für die Unordnung in seinem Zimmer. Er ging voran.
Beim Eintreten fiel mir sofort ein Plakat auf, das zwischen einem Stapel Bücher steckte. Eine nackte Frau spreizte da die Beine, aber höflich tat ich so als hätte ich das übersehen. Über einen Haufen von Pornoheftchen breitete mein Gastgeber verlegen seine Jacke aus und grinste verlegen. Ich war zwar leicht amüsiert, ließ mir aber weiterhin nichts anmerken. Doch die Szene wurde zunehmend absurd. Was er mir nämlich jetzt zum übersetzen reichte, waren die Klappentexte einiger deutscher Pornovideos, die er aus einem Regal holte. Er hatte mehrere Schränke voll davon.
Darf man jetzt lachen? Aber der Mann meinte das offensichtlich vollkommen ernst, begann gleich zu versuchen den Text vorzulesen. Er fing an systematisch zu fragen was die einzelnen Worte bedeuteten. "frech und geil" - "insolent et libidineux" oder "juste 18" übersetzte ich folgsam.
Während ich innerlich von der Absurdität der Situation vollkommen fasziniert war übersetzten wir doch absolut konzentriert einen Klappentext nach dem anderen. Es war ihm offensichtlich ein vitales Interesse. So überlegten wir eine Weile welche sinngemäße Übersetzung die lustigen Texte am genauesten wiedergaben - etwa, ob man "Erregung" eher als "excitation" oder "stimulation" übersetzen könnte.
Nach getaner Arbeit entließ er mich mit einem verlegenen Grinsen und bedankte sich für meine Zeit. Ich verabschiedete mich und war froh, dass ich ihm nicht auch noch die Filme selbst hatte dolmetschen sollen.

Foto: Hier denkt der Autor wieder: "tztz diese Franzosen."

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