Donnerstag, Juni 07, 2007

Der große Abschieds-Artikel


Semester-Abschiedsparty der englischen Universität. Die Party findet auf einem Schiff auf der Seine statt. Das Wort "englisch" steht in diesem Zusammenhang natürlich für ein sehr trinkfreudiges Völkchen, umso mehr, da auf dieser Party der Alkohol umsonst ist. Für den Eintritt soll man dagegen satte 35 Euro zahlen, für die meisten Kinder aus reichem Hause auf dieser kleinen aber exklusiven Uni ist das aber offensichtlich kein Problem. Ich selbst und auch mein Mitbewohner gehören nicht ganz in diese Kategorie und ziehen es vor, uns unbemerkt an Bord zu schleichen.

Für eine Pariser Party ist der Schwarzen-Anteil mit null hier ungewöhnlich gering. Aber englische Universitäten sind keine Bildungseinrichtung für die (bunte) Masse, sondern ein eher elitäres (weißes) System, dass natürlich auch mit einem vollkommen anderen Schlag von Studenten einhergeht. Hier studiert man konservativ, Werte-orientiert und mit einem ordentlichen Vermögen im Rücken (es sei denn man ist durch sehr gute Leistungen aufgefallen und genießt ein großzügiges Darlehen). Ein krasser Gegensatz zu den eher links orientierten Studenten in Deutschland, die in der Masse zwar oft ähnlich unsympathisch, dafür aber mit einem starken Sinn für Gerechtigkeit in aller Welt ausgestattet sind. Hier ist man vielmehr offen elitär.

Für die nicht gezahlten 35 Euro bekommen wir dann auch sehr viel "Englishness" geboten. Während der DJ im Rumpf der Barkasse bereits rotiert, stehen die jungen Mädels in ihren Ballkleidern und die jungen Herren mit Frack und Schlipps doch eher passiv da. Hier sieht wirklich jeder soo Englisch aus. Die Stimmung kommt erst langsam mit dem Alkohol.
Dann lösen sich die Herren langsam aus ihren distinguierten Konversationen mit Zigarre und diesem unwiderstehlichen, aber leicht gekünstelten Lachen (hust hust), das sie sich sicher von ihren Vätern, den Lords ihrer Majestät abgeschaut haben, und wagen sich an die ebenfalls scheuen, Rehkitz-gleichen (hust hust hust) Damen heran, die ihrerseits von verzücktem Gelächter erröten und ihre junge, erst neunzehnjährige, doch ach so weiße und sehr englisch-proportionierte Hand dem Herrn entgegenstrecken.

Das Ende des Abends versinkt dann im grauen Dunst.

Am Montag gab es Noten im Französisch-Kurs. Wir hatten eine Klausur mit vier Seiten zur Frage "Qu'est-ce qu'un acteur?" geschrieben und sollten nun, bevor wir die Noten bekämen, über unsere eigene Leistung im letzten Semester resümieren. Nachdem alle recht schüchtern erklärten, dass sie teilweise ganz zufrieden wären aber teilweise auch nicht genug geleistet hätten, war ich an der Reihe.

Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass meine Klausur nicht sonderlich verlaufen war und beschloss daher, nochmal zu versuchen das Ruder herumzureißen. Also begann auch ich erstmal mit einem kurzen Abriss über meine guten Leistungen. Aber dann, anstatt meine Schwächen zu betonen, fing ich an den Professor und seine Kursleitung zu kritisieren. Ich erklärte, dass ich mit seinen Hauptargumenten unserer über das Semester geführten Diskussion überhaupt nicht einverstanden wäre. Ich beschuldigte ihn, uns lediglich beweisen zu wollen, dass früher alles besser gewesen wäre und das seine Beweisführung absolut unzulässig wäre, weil er da ja Äpfel und Birnen vergleiche. Nach dem ich so ein paar Minuten vor mich hin argumentiert hatte unterbrach mich der Lehrer, erklärte "ja an Sie erinnere ich mich recht gut" und gab mir einen Extrapunkt. Ich beendete den Kurs mit der besten vergebenen Note.

Das war mein Jahr in Paris. Es ist noch nicht ganz zuende, doch die letzten zwei Wochen werden undokumentiert bleiben - nur ein paar Kleinigkeiten vorweg vielleicht: Ich muss noch einmal an die Uni: Meine Abreisebestätigung und die grandiose Liste mit all meinen belegten Kursen im Sekretariat abholen. Dann werde ich auch noch ein letztes Mal nach Creteil fahren, der freundlichen arabischen Bäckerin auf Wiedersehen sagen und meine Konto-Angelegenheiten mit meiner verhassten Bank (BNP-Paribas, damit alle gewarnt sind. Schlimmer ist nur noch Credit Lyonais) regeln.

Noch einmal werden am nächsten Wochenende fast alle meine Freunde aus der Zeit in Paris hier versammelt sein (zum Beispiel die im Bild oben). Diejenigen, die bereits abgereist waren, haben sich noch einmal für ein Wochenende angekündigt. Dann kommen noch drei Tage ausziehen und aufräumen und schließlich geht es wieder in Richtung Osten, ins Land der aufgehenden Sonne...

Nein - ich vergehe nicht vor Abschiedsschmerz. Ein bisschen traurig ist es aber schon. Schon allein, weil in der Heimat erstmal wieder lernen angesagt sein wird - ich habe genau 40 Tage um mich auf die nächsten Klausuren vorzubereiten. Dann, im Sommer werd ich wieder hier sein, in Paris warten noch mein Mitbewohner und meine alte Wohnung auf mich.

Bis dann. Und Danke für die Aufmerksamkeit!

Dienstag, Mai 29, 2007

Erasmus am Ende

Gestern hatte ich meine letzte Klausur. Jetzt folgen nur noch ein paar Essays, einzureichen in einer Woche und ab dann bin ich eigentlich nur noch zum Spaß in Paris.
Viele andere Erasmus-Studenten sind schon nach Hause gefahren, mit einer von ihnen, Aline, habe ich mich letztens zu einem Abschieds-Café an der Metro Jussieu verabredet. Bei arabischem Tee und Gebäck und später einem Spaziergang durch den botanischen Garten (mit Känguruhs!) haben wir das letzte Jahr nochmal Revue passieren lassen. Hat es sich eigentlich gelohnt?

Natürlich muss man zugeben, dass ein ERASMUS-Jahr "anders-effizient" ist. Man schafft nicht so viele Kurse wie zuhause, das liegt schon ganz natürlich an den sprachlichen Problemen, zumindest zu Anfang. Hinzu kommt, dass nicht die gleichen Kurse wie zuhause angeboten werden und es somit schwierig ist einfach "synchron" weiter zu studieren. Im Endeffekt habe ich mir in Frankreich Kurse ausgesucht, die ganz anders hießen, als die nächsten, die bei mir in Deutschland auf dem Plan gestanden hätten. Bei mir kommt aber auch der Spezialfall hinzu, dass ich noch nicht mal ganz mit dem Grundstudium fertig war, als mich Paris "gerufen" hat.

Insofern war es ein Abenteuer. Das französische System macht es an meiner Uni unmöglich, schon im vorab verbindlich festzulegen, welche Kurse des Auslandsjahres später anerkannt werden. Ein genauer Plan über Kursinhalte und Literatur fehlt im Internet - genau das fordern aber deutsche Dozenten um Garantien abgeben zu können. Und wenn man dann im Ausland ist, muss man es mit manchmal abenteuerlichen Kombinationen aus mehreren Fächern versuchen, um daheim vielleicht eine Anerkennung zu bekommen. Ich habe daher eine andere Strategie gewählt.

Ich habe (nachdem alles andere unheimlich mühsam und wenig erfolgversprechend erschien) einfach das Interessanteste dessen gewählt, was angeboten wurde. Ich habe Kurse genommen, von denen ich zunächst nicht wusste, ob sie in Mainz überhaupt angeboten werden und mich probeweise schon in eine recht präzis-definierte Richtung der Volkswirtschaft bewegt. Ich habe quasi vor dem Ende meines Grundstudiums die Chance wahrgenommen, schonmal mitten ins Hauptstudium zu schauen und mich in eine Richtung zu spezialisieren. Das gibt mir Motivation für das weitere Studium daheim. Von daher hat es sich also gelohnt.

Durch mein "Memoir" - eine Art Semesterarbeit, hatte ich erstmals in meinem Studium das Gefühl, auf einem sehr eng begrenzten Gebiet zum "Experten" zu werden und mich gründlich auszukennen. Das war hier möglich, weil man sich in Frankreich erstens früher spezialisiert und zweitens, weil man als Erasmus-Student natürlich jede Freiheit bei der Kurswahl genießt.

Aline ist einverstanden - es hat sich alles in allem gelohnt, auch wenn man sicherlich zumindest ein bisschen Zeit im Studium verplempert hat. Jetzt fährt sie erstmal Heim, ins Aoste-Tal am Fuße des Mont Blanc um über den Sommer auf dem Hof der Eltern zu arbeiten. Das ist ein attraktives Vorhaben. Ich fahre heim, um in Deutschland den Rest des Sommersemesters mitzumachen und endlich doch mein Grundstudium abzuschließen. Das ist auch...."anders-attraktiv".

Foto: Nostalgie: Ehemalige Austausch-Studentinnen aus aller Herren Länder erinnern sich.

Samstag, Mai 26, 2007

Jobsuche auf französisch

Ich verabschiede mich innerlich so langsam von ERASMUS, während mein Mitbewohner auf der Jobsuche für den langen Sommer ist.
Offensichtlich verläuft die Suche nicht ganz so unkompliziert wie er das von seiner Heimat England gewohnt ist. Auf die ersten Bewerbungen gab es unerwartet viele Absagen, obwohl wir hier nicht gerade von einem Job-Novizen sprechen. Endlich trudelten dann in den letzten Tagen auch die ersten Zusagen ein. Doch was war das? "Wir würden Sie recht herzlich zu einem Gespräch einladen - Mit freundlichen Grüßen, das kubanische Staatsballett."

"Hups - wo hab ich mich denn da ausversehen mal wieder beworben?" Ballett-Tanzen liegt nämlich weit außerhalb dessen, was ich meinem Mitbewohner so zutrauen würde. Der Termin wird natürlich wahrgenommen, man weiß ja nie welche Karriere einem noch bevor stehen könnte.
Heute dann, kam wieder ein Anruf: "16 Uhr Vorstellungsgespräch - Einverstanden." Doch gleich nachdem der Hörer in die "Gabel" gefallen war (auch wenn wir hier von einem modernen Telefon von "Lobicom" sprechen), kam meinem Mitbewohner die Erkenntnis: Es ist ja schon 15.04 Uhr! Und ich brauche noch einen neuen Anzug!

Nun war Eile geboten. Eine Schnelldurchsuchung des Kleiderschranks ergab, dass für das Vorstellungsgespräch in der nahegelegenen Cocktailbar tatsächlich ein neuer Anzug - zumindest Hose, Hemd und vielleicht sogar Schuhe nötig waren. Um 15.15 Uhr verließen wir also das Haus auf dem Weg zu "Zara" um die Ecke. Ich habe noch nie in meinem Leben so schnell Klamotten eingekauft. Eine Hose in der richtigen Größe war nach dem zweiten Fehlversuch relativ schnell gefunden, das Hemd wurde auf dem Spurt zur Kasse eingesackt. Problem Schuhe: Entweder noch schnell welche finden oder Super-Kleber um die Ecke kaufen. Ein kurzer Blick auf die Uhr erklärt nüchtern: Weder noch.

Nagut, zuhause stellen wir fest, dass die Schuhe das noch einmal mitmachen. Problem aber: Das Hemd ist natürlich viel zu groß. Noch 11 Minuten bis zum Vorstellungsgespräch. Während ich noch schnell ein anderes Hemd bügele, steht mein Mitbewohner mit der Haarwichse vor dem Spiegel. Und tatsächlich: Um fünf Minuten vor Torschluss ist er mit neuer Hose, unvorhergesehenem Hemd, ohne Krawatte und mit den alten Schuhen auf dem Weg zum Bewerbungsgespräch. Na dann viel Erfolg!

Foto: Dunkle Wolken über dem Tour Montparnasse. Minuten später versinkt Paris in einem gigantischen Gewitter.

Samstag, Mai 19, 2007

Die anderen Seiten von Paris

Am verlängerten Wochenende ist mal wieder Besuch in der Stadt. Der Anspruch diesmal: Nicht die ausgetretenen Touristenpfade sondern die geheimen, alternativen Orte der Stadt möchte man entdecken. Eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe in Paris. Denn mit vielen dutzend Millionen Besuchern jedes Jahr ist Paris die populärste Touristendestination in der ganzen Welt - sprich: es bleiben nicht viele Pfade, die touristisch unerschlossen sind.

Auch wenn viele Paris-Fans das Marais als "Insider-Tipp" verkaufen wollen, quillt es jetzt im Sommer und am Wochenende von Besuchern nur so über. Die sind zwar nicht ganz so "touristy" wie unter dem Eiffelturm - aber wirklich beschaulich und alternativ kann man das Judenviertel, das Schwulenviertel und die vielen historischen Hotels Particuliers nicht mehr nennen.

Ein paar Ecken gibt es aber doch und wenn man ein bisschen geduldig ist, erschließen sich einem mitunter noch ein paar Überraschungen.
Nicht wirklich ein Geheimtipp, aber wenigstens nicht in jedem Reiseführer zu finden ist beispielsweise das "Bretonen-Viertel" in der Rue Montparnasse, direkt bei uns um die Ecke. Es handelt sich hierbei um eine Ansammlung teilweise sehr gemütlicher Creperien, die noch vor allem von einheimischen Parisern frequentiert werden.

Alternativer wird es dann zum Beispiel auch im 13. Arrondissement. Nahe beim Place Italie findet sich nicht nur das China-Viertel, in dem Florian neben günstigen und guten Asiaten wohnt. Südwestlich des Platzes wirkt Paris bald viel kleinstädtischer. In kleinen gepflasterten Straßen und Plätzen finden sich hier durchaus nette Lokale, Bars und Restaurants. Gestern beispielsweise fanden wir da in der Rue Samson einen guten greko-Franzosen mit Menus unter der Woche ab sehr günstigen 11 Euro. Dank einer gewisse Zuneigung zwischen einer unserer Freundinnen und dem Kellner war der Alkohol sogar teilweise geschenkt.

Anschließend ging es in den Nordosten von Paris. Jenseits von Bastille und dem Platz der Republik mit ihren vollen Bars und Clubs (das "Bataclan" liegt da in der Nähe der Metro Oberkampf und rund um Bastille kennt man Rue de Lapp und Rue de la Roquette mit vielen Bars und ein paar Clubs) gibt es durchaus noch so etwas wie eine "alternative Szene". In der Rue St Maur fanden wir schließlich zwischen alten Autowracks und Grafitti-besprühten Hausfronten einen Laden, der erstens voll und zweitens sehr heiß war. Die Musik wurde von einem schwedischen DJ beigesteuert, dessen Freundin sich in unserer Begleitung befand. Und auch nur durch diesen Kanal war uns dieser Fund gegönnt. Die Atmosphäre in dem Laden erinnerte stark an "Wohnheim-Bar"-Stimmung in "good old" Mainz, etwas, das man in Paris nicht allzuhäufig finden dürfte. Unter dem illustren Publikum unterhielten wir uns zum Beispiel mit zwei barocken jungen Modestudentinnen, die von dem Abend auch schon sehr "profitiert" hatten ("avoir bien profité").

Um zwei Uhr kam dann Marie ("Merci-Marie" war überall an den Klowänden zu lesen und brachte uns zur Schlussfolgerung, dass es sich um die Wirtin handeln müsse) und bat uns langsam ans heimgehen zu denken, da die netten Nachbarn doch auch ihren Schlaf bräuchten. Wir beschlossen den Abend im Nachbarschafts-freien Bastille-Viertel und werden den heutigen Samstag-Abend wahrscheinlich vollkommen un-alternativ im Le Queen auf den ordinär-luxuriösen Champs Elysées verbringen.

Foto: Die "Passage Brady" in der Rue du Faubourg Saint-Denis. Das Viertel hier südlich des Ostbahnhofs ist auch ein touristisch eher unerschlossenes Gebiet, dass mit seinen vielen Indern, Türken, Asiaten und sonstigen Landsmännern durchaus sehr interessant ist: Günstiges Essen und viel Leben auf der Straße zu jeder Uhrzeit.

Montag, Mai 14, 2007

Formvollendet Vorgeführt

Am Freitag hatte ich meine Klausur in "Politique du Développement" und dachte anschließend eigentlich, für eine kleine Weile nun meine Ruhe zu haben. Die Klausur war gut verlaufen. Nur der Professor war etwas verärgert, weil ihm offensichtlich jemand Aufgabenblätter entwedet hatte, die später auf der Toilette wieder auftauchten. Wir bekamen also eine neue Aufgabe und hatten dann zwei Stunden Zeit, eine Fragestellung und schlüssige Argumentation (inkl. aus dem Kopf zitieren) aufzusetzen.
Anschließend fuhr ich nach Hause, legte mich aufs Sofa und - bekam eine Nachricht aufs Handy:
"La soutenance de votre memoir sera lieu le lundi à 12 heures." hatte mir da eine Dame aus dem Instituts-Sekretariat auf den "Repondeur" gesprochen. Meine was? Meine Verteidigung?

Ach ja mein Memoir. Ich dachte eigentlich die 27 Seiten hätte ich hinter mir. Doch nein: Eine kurze Anfrage bei meinem Professor ergab bald, dass es um eine kurze Präsentation meines Memoirs und eine anschließende Diskussion gehe. Eine weitere kurze Mail verriet mir, ja, auch ein Projektor sei vorhanden, einer Powerpoint-Präsentation stehe nichts im Wege.

Somit war meine Wochenendplanung weitgehend festgelegt und ohne wirklich zu wissen, was mich erwartet bereitete ich mich auf eine Präsentation meiner Arbeit vor. Wird der Vortrag öffentlich sein? Darf jeder mitdiskutieren? Was muss ich anziehen? Ich beschloss mir selbst nicht allzuviele Fragen zu stellen und fuhr dafür am Montag Morgen einfach etwas früher an die Uni. Ich wollte sehen, wie sich die anderen Studenten schlagen würden.

Vor dem "Salle Keynes" saßen bereits zwei Studentinnen, eine davon erkannte mich auch sofort und wir verglichen unsere Präsentationen. Soweit ich mich umsah war ich der einzige mit fertiger Powerpoint-Präsentation und auch der einzige mit ordentlichem Hemd. So schlimm würde es also nicht werden.

Andere Studenten kamen hinzu, gelegentlich trat der Professor aus dem Tagungszimmer und rief den nächsten Kandidaten auf. Eine der wartenden Studentinnen war offensichtlich sehr nervös. Sie hatte "Rescue-Spray" ("alles pflanzlich") dabei, um ihrer Nervösität Herr zu werden. Ihr Zustand verschlechterte sich, als sie 10 Minuten vor ihrem Auftritt feststellte, dass ihr Spray alle war.

Einen gewissen Grund für Nervosität konnte auch ich ausmachen: Vor mir waren 3 Studentinnen an der Reihe - alle drei fielen durch, mussten ihre Arbeit in einem Monat in neuer Fassung noch einmal einreichen.
Schließlich war ich an der Reihe. Ich nahm mir beim eintreten fest vor, die Spannung der Situation sofort ein bisschen aufzulösen: "Wie wars in Vietnam, Herr Professor?"

Die Taktik funktionierte recht gut. Ein kurzer Plausch über beeindruckende Erfahrungen in Asien und anschließend ging es ein bisschen zu wie beim Videoabend zuhause. Ich startete die Präsentation während wir beide zurückgelehnt auf unseren Stühlen saßen und der Professor gelegentlich Zwischenfragen stellte.

Die ganze Präsentation lief gut, in der geplanten Zeit, und nur aufgrund von etwas komplizierteren Zwischenfragen verfiel ich zwei oder dreimal kurz ins Englische - für den Professor auch kein Problem. Schließlich diskutierten wir noch ein paar Minuten über einige Punkte und der Professor erklärte mir was er noch gerne hinzugefügt hätte.
Alles in allem zeigte er sich aber durchaus sehr zufrieden, vor allem die Form und Präsentation hatten ihm gefallen. Er speicherte sich meine Präsentation ab um später seinen Studenten zu zeigen, wie es richtig geht.

Als wir fertig waren war ich auch hochzufrieden und fühlte mich sehr erleichtert. Bis genau zu dem Zeitpunkt, an dem Professor Najman interessiert nachfragte: "und haben sie auch sonst viel geschafft, im letzten Semester?" Einem durchschnittlichen Erasmus-Studenten muss an dieser Stelle ein bisschen heiß werden.

Foto: Auch sehr heiß: Die letzten Nächte in Paris. Inzwischen ist der Ärger der Linken aber ziemlich verglüht, genau wie dieser Kleinlaster, den Florian und ich am Marais gefunden haben.

Mittwoch, Mai 09, 2007

Jean Reno wartet auf Mitfahrgelegenheit

Auf dem Boulevard Raspail ist mir letztens Jean Reno begegnet. Ich war gerade auf dem Weg nach Hause von einem kleinen Ausflug ins Kino. Vor einem Büro-Gebäude auf jenem Boulevard stand er da ganz alleine und wartete offensichtlich auf eine Mitfahrgelegenheit. Als ich an ihm vorbei lief schauten wir uns - da sonst niemand da war - für einen Augenblick an. Eigentlich wäre es natürlich an mir gewesen ihn zu grüßen - aber nein - Höflichkeitsformel gerade mal wieder verschlafen und dann wars auch schon zu spät.
Er wird's nicht so schwer genommen haben. Dürfte ihm in letzter Zeit auch öfters passieren, immerhin war der neue französische Präsident Sarkozy letztens gerade sein Trauzeuge und auch sonst gibt er sich politisch derzeit ganz als Rechts-Konservativer. Er wird also schon ein paar Fans vergrault haben... Aber meine Güte! Dieser Mann hat in "Leon der Profi" mitgespielt! Alles was sich an seinem Äußeren seither geändert hat, ist offenbar seine Brille.

Jean Reno habe ich im siebten Arrondissement von Paris getroffen, einem ziemlich schicken Viertel mit Botschaften, Regierungsgebäuden wie dem Hotel Matignon und natürlich: Bon Marché, dem vielleicht edelsten Pariser Kaufhaus. Im einzigen kleinen Kino des Viertels, einem alten japanischen Tanzpalast "La Pagode" in der Rue Babylon hatte ich mich gerade zu einem französischen Filmnachmittag mit meiner Hochschulgruppe getroffen.
Anschließend beschloss ich das schöne Wetter für eine kleine Fotosafari durch die Gegend zu nutzen.

Bon Marché ist das Kaufhaus der reichen Damen von Paris. Mineralwasser für 35 Euro die Flasche (Marke: "Bling") gibts hier zu kaufen und natürlich alles was die modebewusste Pelz- und Hut-bekleidete Ministergattin wünscht. Ein Freund und Schuhverkäufer in selbigem Kaufhaus berichtete vor wenigen Wochen, dass auch Lionel Jospin, der "anders-erfolgreiche" Sozialist gelegentlich vorbeischaut - ganz ohne Bodyguards - bei Bon Marché ist man unter sich.

Direkt neben dem siebten Arrondissement liegt das sechste. Da wohne ich und da ist es schon ein klein bisschen weniger Chique. Derzeit haben wir ein Jazz-Festival im Viertel. Das knüpft an die Jazz- und Intelektuellen-Vergangenheit des sechsten, rund um den Boulevard St Germain an. Dieser Boulevard ist inzwischen alles andere als intellektuell und ebenfalls eher für gut betuchte Pariser Shopper ein Revier. Edmund White schreibt in seinem Buch über Paris zum Beispiel, es wäre ein bisschen so, "als hätte sich ein Beatnik-Balg im Erwachsenenalter zu einer eleganten und reichlich geistlosen Matrone entwickelt".

Weniger elegant ist, was passiert, als ich mich an die nächste Bushaltestelle setze und warte bis der Bus nach Hause kommt: Neben mir schläft ein Clochard den Schlaf der Gerechten, sein Alkoholvorat steht direkt daneben.
Ich schaue über die Straße, als ein kleiner, krummer Zwerg auf mich zugehumpelt kommt. Während um ihn herum der Verkehr braust hat dieser Zwerg ganz offensichtlich meine Bushaltestelle mit starrem Blick fixiert. Ganz langsam kommt er voran, steht schließlich direkt vor mir und dreht sich dann ohne ein Wort zu dem anderen Penner hin. Bückt sich, nimmt den Alkoholvorat des anderen an sich und humpelt wieder davon. Ich bin perplex. Da bestehlen sich die Penner gegenseitig ohne das leiseste Schamgefühl - offensichtlich vollkommen unbeeindruckt davon, dass ich daneben sitze und alles mit ansehe. Nun gut - ich muss zugeben, ich hab dann auch nix gesagt. Ich hab lieber mal ein Foto davon geschossen. Verkommene Menschheit!

Foto: Café Bourbon, direkt gegenüber der Assemblée Nationale im siebten Arrondissement. Schick und teuer und schlechter Service.

>> zum Fotoalbum mit: Sonnenbaden gegenüber dem siebten, Jazz und Penner im sechsten, teures im Bon Marché sowie das Kino "La Pagode" in einem alten japanischen Tanzpalast.

Sonntag, Mai 06, 2007

Franzosen zur Wahl!

Manchmal hat man das Gefühl in einem sehr kleinen Land zu wohnen: Bei den Wahlen zum nächsten Präsidenten müssen wir nur etwa 20 Minuten laufen um in der Rue de Solférino zu landen: Dem Hauptquartier der "Parti Socialiste".

Paris war heute in zwei Ufer aufgeteilt: Rive Gauche mit dem Hauptquartier der Linken und all den "militants", die davor auf die erlösende Botschaft um exakt acht Uhr warteten und auf der anderen Seite Rive droite: Dort auf dem Place de la Concorde würde später Sarkozy seinen Sieg feiern. Dass wir in der Rue de Solférino auf der Verliererseite stehen, wissen wir zunächst zwar nicht sicher, doch irgendwie ahnen es viele.

In Frankreich gibt es - um Beeinflussung zu vermeiden - bis exakt acht Uhr keine Angaben über den Stand der Wahlen. Doch Informationen von ausländischen Nachrichtensendern sickern durch: Es steht schlecht für die Linken und so ist die Stimmung vor dem großen Gebäude der Sozialisten in der Rue Solferino nur gedämpft euphorisch - die Hoffnung stirbt zuletzt. Wer in die Fenster des Hauses schaut und die vereinzelten Mitarbeiter der Sozialisten sieht, ist bestätigt in seinen negativen Vorahnungen.

Warum wir auf dieser Seite und nicht bei Sarkozy stehen? Nun - es ist näher, einige Freunde sind da und außerdem wäre es wirklich peinlich - falls Royal für die Sozialisten doch gewinnt - für den konservativen, männlichen Kandidaten gefiebert zu haben. Im Endeffekt können wir hier als Ausländer nicht wählen und fühlen uns mehr als "Beobachter" der Szene.
Die Straße füllt sich mit Jungsozialisten die Rosen und Plakate hochhalten. Aus jeder Richtung grinst einen Ségolène Royal von Bannern entgegen. Internationale Kamerateams gehen überall in Stellung.

Schließlich kriege ich Durst und laufe mit einem französischen Bekannten in Richtung Bierstand, wo für soziale 6 Euro halbliter-Becher Bier verteilt werden. Auf dem Weg laufen wir den Sicherheitsleuten von Strauss-Kahn in die Arme, der sich gerade den Weg durch die Menge bahnt. Der Mann, der sich nur flüchtig für "Merci-Merci" Rufe bedankt wäre Ministerpräsident geworden - hätte Royal gewonnen. Noch ist offiziell alles offen.

Als sich die magische Uhrzeit nähert, kurz vor acht Uhr, geht der Großbildschirm auf Sendung und überträgt die Stimmung aus den beiden Lagern. Jedesmal wenn die Kamera unsere Straße einfängt geht ein ohrenbetäubender Jubel los - zeigt das Fernsehen das Gegenlager gibt es laute Buh-Rufe.
Acht Uhr. Auf dem Bildschirm erscheint eine französische Fahne. Dahinter verbirgt sich das Antlitz des neuen Präsidenten - als die Fahne fällt ist es kurz, als hätte jemand schon wieder Kennedy erschossen.

Augenblicklich kippt die Stimmung. Buhrufe, Mittelfinger und Tränen wohin man schaut. Auch zwei aus unserer Gruppe können sich nicht mehr beherrschen und weinen hemmungslos während sie Rose und Mittelfinger weiterhin stoisch in die Höhe halten - ein gefundenes Motiv für die Fotografen.

Auch ich schieße fleißig Fotos - im Album kann man bis etwa zu Bild zehn noch hoffnungsvolle Gesichter sehen, dann greift die Verzeiflung um sich.

Die Stimmung bessert sich erst wieder als schließlich Ségolène eintrifft: Etwa eine halbe Stunde nach der Wahl bahnt sie sich erst den Weg durch die Masse und tritt dann auf den Balkon. Mit Durchhalteparolen und lobenden Worten - vor allem über den hohen Grad der Mobilisierung unter den Jugendlichen - kann sie die Stimmung wieder ein bisschen heben. Die Wahl hat sie verloren. Viele ihrer jungen Anhänger sind an sozialistische Niederlagen noch nicht so gewöhnt. Die Hauptakteure dieser Partei in Frankreich sind es mit Sicherheit.

Später am Abend ruft mich Daryl an, der mit uns in der Rue Solferino gewesen war und anschließend zu Bastille weitergefahren ist. Er hat Tränengas abbekommen, weil die extreme Linke die dort angesetzte Siegesfeier der Linken für ihre eigenen Motive missbrauchen wollte. Schon vor den Wahlen wurde davor gewarnt, dass im Falle eines Sieges für Sarkozy Unruhen ausbrechen könnten - die nächsten Tage werden zeigen ob die Befürchtung berechtigt war.

Foto: Ségolène präsentiert sich uns nachdem sie im Fernsehen bereits ihre Niederlage eingestanden hat.

> > hier gehts zum Fotoalbum

Donnerstag, Mai 03, 2007

Von letzten Gefechten und Weltraumpsychologen


Mein Memoir ist fertig! Die letzten Tage waren bestimmt von Übersetzungs- und Korrekturorgien, die Angst nicht fertig zu werden hat sich aber nicht bewahrheitet. Am Tag der Abgabe war im Computerlabor der Uni aber noch einiges los: Da wurden noch schnell Schlusssätze formuliert und Inhaltverzeichnisse angelegt - der Franzose an sich ist, wie ich, nicht so gut im Vorarbeiten.
Und so war ich in den letzten Tagen ein bisschen von meiner Umwelt abgeschnitten, als mich inmitten der ganzen Arbeit eine SMS erreichte: "Hört ihr uns bei euch zuhause? Es ist verdammt laut hier im Stadion!"
Das Stadion von dem da die Rede war, ist tatsächlich nicht weit von uns entfernt und drinnen stand vor vielen Fans: Ségolène, die schöne Sozialistin. Das Rennen ist quasi zuende. Am Sonntag ist die Wahl und es wird wohl langweiliger ausgehen als es möglich wäre. Obwohl: Ich wüsste nicht wen ich wählen sollte. Beide Kandidaten sind mir zu arg - zu arg rechts oder zu arg links. 35-Stunden-Wochen für Kleinbetriebe? Mehr Polizei und härtere Strafen gegen kleinkriminelle Banlieusards? Ich weiß nicht recht, die Entscheidung zwischen Pest oder Cholera will mir nicht leicht fallen.
Und so ist auch in meinem Umfeld die Meinung gespalten. Aurelie zum Beispiel will alles außer Ségolène - die ist ihr zu blöd. Daryl bedauert sehr, dass er als Amerikaner Ségo nicht wählen darf und ist Verfasser der obenstehenden SMS.
Das letzte Gefecht zwischen beiden Kandidaten, das direkt-übertragene TV-Duell habe ich übrigens nicht gesehen. Zu dem Zeitpunkt war ich gerade in eine Unterhaltung mit einem Weltraumpsychologen vertieft.
Lustig, was für Menschen man doch so trifft, in der "Association Franco-Allemande" von der ich letztens schon berichtete. Während wir übrigens genau gegenüber der französischen Weltraumbehörde im "Sous Boc" saßen, erzählte mir Alex von seiner schwierigen Mission: Weltraumpsychologen untersuchen die Auswirkungen von Zusammenleben auf engem Raum in gefährlichen Umgebungen über lange Zeit. Die Arbeit zielt also schon ziemlich direkt auf eine eventuelle bemannte Marsmission in ungefähr 30 Jahren ab. Und da ist noch einiges an Basis-Forschung zu betreiben. Zum Beispiel können sich gegenseitig nervende Astronauten nicht mal kurz vor die Tür treten um eine zu rauchen. Sie können die Erde von ihrem kleinen Raumschiff aus ja für lange Zeit nicht einmal sehen!
Die interessante Unterhaltung hat mich persönlich auf den Gedanken gebracht, dass ERASMUS-Studenten in Paris ein ziemlich gutes Versuchsfeld für Weltraumpsychologie abgeben: Sie leben etwa ein Jahr auf engem Raum in kleinen WGs zusammen. Auch ich bin sieben Stockwerke vom Planeten Erde entfernt und: Ich rauche nicht.

Foto: Jede Woche eine Demonstration: Direkt vor unserer Wohnung erfährt man regelmäßig, dass Gewerkschaften in Frankreich noch eine große Rolle spielen.

Montag, April 30, 2007

Französisch lernen (6)

Heute: Kleiner Sprachführer für Schaffner

Vom 10. Juni an pendeln TGV und ICE zwischen Paris und Frankfurt und Stuttgart. Deutsche Schaffner werden bis nach Paris fahren. Zurzeit besuchen sie Französischkurse. Falls das dort Geübte nicht ausreicht, hier ein paar Standardsätze zum Auswendiglernen:

Unser Team im Zugrestaurant erwartet Sie. - Notre équipe vous attend au bistro.

Personalwechsel. Die Fahrkarten, bitte. - L'équipage a changé. Les billets, s'il vous plaît.

Die elektronische Reservierungsanzeige ist leider ausgefallen. Wir bitten Sie, Fahrgästen mit einer Platzreservierung den Platz freizumachen. - La signalisation électronique à bord du train est tombée en panne. Nous vous prions de céder votre place aux personnes ayant reservé une place.

Nein, das Wochenendticket ist hier nicht gültig. - Non, le billet tarif week-end n'est pas valable dans ce train.

Es tut mir leid, ich bin nicht verantworlich für das, was die Kollegen in Frankreich gesagt haben. - Je suis désolé, je ne suis pas responsable pour ce que les collegues en France ont dit.
(aus der ZEIT vom 19. April 2007)

Freitag, April 27, 2007

Schwein in Paris

Morgens früh aus den Federn, auf der Suche nach dem nächsten Wochenmarkt ist mir jenes erste Foto dieser Reihe gelungen, wobei ich mir selbst auf die Schulter klopfte und dachte: "Das ist aber ein tolles Foto - in Paris werden früh morgens also noch Schweine auf Karren von Schlachter zu Metzger verbracht". Obwohl ich eigentlich keine Ahnung über die logistische Organisation zwischen Pariser Schlacht- und Metzgereibetrieben besitze kam mir diese Praxis irgendwie anachronistisch und doch mal wieder "typisch französisch" vor. Noch besser für das Foto!
Doch halt! Wieso sieht die Szene eigentlich so gespielt aus? Muss das ganze Schlachter-Team mit, wenn Schweine verlegt werden? Und was machen die anderen Fotografen da hinten eigentlich? Der ewige Zweifel stieg auf und nachdem ich mir zunehmend die Frage nach der Schweinehygiene stellte - insbesondere in Zusammenhang mit dem Hund der nun auftauchte und das arme Vieh zu gern aufgefressen hätte - beschloss ich mit der Kamera auf Bereitschaft zu bleiben. Die folgende Fotoserie zeugt davon, dass ich es kaum besser hätte treffen können: Nicht nur, dass das Schwein echt ist - es ist auch beliebt: Die Schlachter-Equipe lässt es duschen und an diesem schönen Pariser Freitag-Morgen an einem kleinen Gläschen teilhaben. Da wird man glatt (auch) zum Vegetarier. (Auf die Fotos klicken, um sie zu vergrößern.)

Montag, April 23, 2007

Essen im Exil (3)

Heute: Geschnittene Spaghetti mit Ei.

Der Autor ist von einer anstrengenden internationalen Flugreise heimgekehrt. Auf dem Weg von der Metrostation zum Appartment kommt er an einer ganzen Reihe gut riechender französischer Lokale vorbei, die aufgrund des guten Wetters auch draußen bedienen. Und so steigt der Duft von Meeresfrüchten und saftigen Steaks direkt in seine Nase und weckt: Hunger.

Die Küche ist leider nicht so gut auf die Heimkehr vorbereitet, niemand hat übers Wochenende frisches Gemüse eingekauft und für überbackene Nudeln fehlen die Nudeln und der Backofen. Vorhanden: Spaghetti, Käse, Eier, H-Milch und Öl. Mal wieder Zeit für eine kurzentschlossene Improvisation.

Die Spaghetti werden gekocht und mit einem Stück Butter "verfeinert", die restlichen Zutaten werden in einer Pfanne "verquirlt" und fangen nach kurzer Kochzeit bereits an zu "brocken".

Ordentlich Salz, Pfeffer und "Herbs de la Provence" ran und dann alles in eine gemeinsame Schale "gegeben". Feststellung: Die Brocken und die Spaghetti mögen sich nicht vermischen, bleiben in ihren jeweiligen Ecken. Die Lösung: Heute gibt es Spaghetti "coupé", nörgelnde Italien-Kenner können mich mal. Fürs Foto noch ein verirrtes Salatblatt hinzu und fertig ist die Laube.

Guten Appetit.

Foto: Geschnittene Spaghetti mit Ei. Als Getränk eignet sich hervorragend ein Glas Wasser.

Donnerstag, April 19, 2007

Französisch lernen (5)

Heute: "Merci professeur !"
Während die Akzent-Diskussionen munter weitergehen (wer klingt am französischsten? Derzeit liege ich ganz gut im Rennen) ist es Zeit, für ernsthaftere Fragen zur französischen Sprache eine echte Kapazität hinzuzuziehen.

So ist mir zum Beispiel zu Anfang meines Aufenthaltes ein kleines - von allen Seiten wohl ignoriertes - Malheur passiert: Zum Essen bei einer befreundeten Familie eingeladen kam das Gespräch auf "Küssen". Das alte französische Wort dafür - und nur dessen konnte ich mich in diesem Moment entsinnen - ist "baiser". Oder war es nicht so? Kurz mal in die Runde nachgefragt erntete ich ein kurzes Schweigen und dann die Bestätigung: "Ja natürlich, ist schon recht..."

Tatsächlich sagt man zu küssen heute aber "embrasser" - das Wort "baiser" hat dagegen eine leichte Bedeutungsverschiebung, hin zum horizontalen "ficken" erfahren. Und während man sich bei jenem Abendessen wohl eher aus der Verlegenheit herausmanövrieren mochte und mir eine Peinlichkeit ersparte, hätte es der "Professeur" sicher richtig gestellt.

Der "Professeur" heißt eigentlich
Bernard Cerquiglini und hat einen Vertrag bei TV5. Er tritt auch auf einer eigenen Seite im Internet auf. Die Folge über baiser und embrasser ist da genauso zu finden, wie eine Episode über das so bekannt klingende "le vasistas". "Vasistas" ist eine Art Lüftungsflügel an Fenstern und Türen und jeder Ostfranzose weiß, warum es der deutschen Frage "Was ist das?" so ähnlich sieht. Oder glaubt es zumindest zu wissen - die Antwort gibt der "Professeur" - hier.

Dienstag, April 17, 2007

Uni-Alltag: Prokrastination mach ich schon

Als unser Professor Najman vor den Osterferien vorschlug, man solle doch die freie Zeit in den Ferien nutzen um das Memoir abzuschließen, vor allem da anschließend der ganze Klausurenstress anfange, war ich doch schon ein bisschen verlegen. Heute, eine Woche nach den Osterferien, stecke ich noch immer mitten in der Arbeit. Spontan habe ich mich im Studiverzeichnis der Gruppe "Prokrastination - mach ich schon" angeschlossen.
Derzeit stehe ich früh auf und verbringe meine Vormittage vor den normalen Uni-Veranstaltungen in der Instituts-Bibliothek. Ich komme generell ganz gut voran und habe etwa zwanzig Seiten geschafft. Kleiner Wehrmutstropfen: Ich schaffe es nicht von Anfang an auf französisch über mein Thema "Migrationsauswirkungen auf die Quellländer im nördlichen und subsaharischen Afrika" zu dozieren - die nächste Woche soll daher ganz der Englisch-Deutsch-Französischen Übersetzungskunst gewidmet sein - Hurra!
Eine viel schlimmere "Prokrastinatorin" (das Wort hat es mir angetan - es steht für Leute mit zwanghaftem Aufschiebeverhalten) habe ich heute getroffen. Das steigert natürlich die eigene Laune und das Selbstwertgefühl. Die junge Italienerin hat noch nicht viel mehr als das "Planning" (dieses Wort ist französisch auszusprechen) zustande gebracht und bleibt dennoch italienisch zuversichtlich.
In meinem deutschen Studienplan für Volkswirtschaftslehre ist eine Arbeit wie mein Memoir nicht vorgesehen. Von daher mache ich mir auch nicht viel Hoffnung auf eine eventuelle Anerkennung in meinem deutschen Notenheftchen. Dennoch ist so ein Memoir durchaus eine nette Übung. Zum einen hat man das Gefühl produktiv zu sein - wichtig nach einem Jahr ERASMUS. Zum anderen will der Professor immer mal wieder über den Fortschritt der Arbeit informiert werden und gewinnt so mit der Zeit Zutrauen. Vor wenigen Wochen ist Professor Najman mit mir ganz euphorisch durch diverse Sekretariate gestapft und hat mich mit meinem Anliegen überall vorgestellt: "Dies hier ist Herr Argus, ein sehr intelligenter Student aus Deutschland, er bräuchte hier eine Auskunft." Dabei hat mein Professor in der Tat keine Ahnung, wie intelligent sein Student wirklich ist - ich bin da ganz froh, dass wir die Auskunft über meine Noten des letzten Semesters doch nicht gekriegt haben. Das Zutrauen soll ja nicht gleich wieder erschüttert werden.

Foto: Weiterhin Frühlingsstimmung in Paris.

Sonntag, April 15, 2007

Funky Notre Dame

Bei der Planung einer sommerlichen "Tour de France" ist uns mal wieder aufgefallen, dass die Tour in französisch männlich, der Turm - der auf französisch ebenfalls "Tour" heißt - aber weiblich ist. Für einen Deutschen, der französisch lernt, ist diese glatte Vertauschung der Geschlechter auf eine perverse Art leicht zu merken. Schlimm geht es dem Engländer, der in beiden Sprachen zunächst mal fremd ist, selbst noch aus einer geschlechtslosen Sprache übersetzt und sich daher insgeheim fragt, warum Turm und Tour überhaupt Geschlechter haben sollen - und vor allem wo...

Anstatt viel Text gibts heute Funky Notre Dame in vier verschiedenen Farben. Ansonsten bin ich an meinem "Memoir" dran, womit ich nicht meine Erinnerungen an eine ganz besondere Kindheit meine, sondern vielmehr eine Semesterarbeit für die Uni.



Mittwoch, April 11, 2007

Drei eher negative Erfahrungen


Nach einem kurzen aber sehr schönen Osterurlaub bei den Eltern sind wir wieder auf dem Weg nach Paris. Noch bis zum 10. Juni ist man auf der Strecke auf einen klassischen Zug angewiesen - mittelschnelle Lok und altmodische Waggons ohne Steckdosen. Wenn erst mal die neuen Züge mit 320 Stundenkilometern fahren, dann ist man auch in der Hälfte der Zeit am Ziel - und nicht so ein gutes Ziel für kleine Kinder mit Feuerwaffen. Denn plötzlich geht unsere Reise nicht mehr weiter, im Bahnhof von St Avold bleiben wir stehen und rühren uns für mehr als eine Stunde nicht mehr von der Stelle. Ein Polizeioffizier taucht auf und erklärt, offensichtlich hätten kleine Kinder unsere Lok abgeschossen. Der Treffer saß so gut, dass die Lokomotive ausgetauscht werden muss.
Und das ist erst eine von drei negativen Erfahrungen auf unserer Heimreise. Die zweite registriere ich in der Metro. Da gibt es dieses Plakat, das mich in den Wahnsinn treibt - es hängt immer noch. Zum ersten Mal ist es vor mehr als zwei Monaten aufgetaucht. Es wirbt für einen Film - "Le Prix à Payer" und zeigt eigentlich nur recht langweilig: Zwei Pärchen. Eigentlich verschwinden Plakate für neue Filme nach zwei Wochen wieder - dieses hier verschwand auch erst und tauchte dann unerwartet wieder auf - Filmstart war erst Anfang April. Aber was mich an dem Plakat eigentlich aufregt, sind die beiden mittelalten Pärchen. Das eine, neben dem geschrieben steht "pas de fric" ist ja ganz ok - französisch, ganz bisschen heißblütig etc. Doch das andere, neben dem "pas de cul" steht treibt mich zur Weisglut. Sie trägt ein orangenes Kleid und sieht genervt aus. Er: Ganz leichter Bauch, perfekt sitzende Kravatte, angegrautes Haar und ein Gesicht das sagen will "ich kann für all das nichts". Beide Pärchen stehen vor weißem Hintergrund und ich habe keine Ahnung, wie sie so für diesen offensichtlich langweiligen französischen, gesellschaftssatirischen Film werben wollen. Sie hängen in jeder Station, bei jeder Tages und Nachtzeit und sie sagen nur: Kein Arsch, Kein Geld und "Er" fügt hinzu: "Und ich kann für all das nichts". Würde das nicht jeden zum Wahnsinn treiben? Wer hängt solche Plakate auf?
Dritte negative Erfahrung: Jemand hat an unsere Türklinke eine Unterhose meines Mitbewohners gehängt. Wo kommt die her? Vom Balkon geweht? Wie lange hing die da? Wir wissen es nicht und würden auch gern mehr über unsere Flurnachbarn erfahren...

Foto: Paris erblüht im Frühling. Aufnahme aus dem Jardin du Luxembourg.

Samstag, März 31, 2007

Billig Leben in Paris (5) - Culture moins chère

Wir haben mal wieder Besucher im Haus. Ein netter Anlass mal wieder richtig essen zu gehen - in eine der Creperien um die Ecke. Als ich mein Galette "Guéméné" bestelle wird die Bedienung skeptisch. "Mein Herr, der Koch empfiehlt dieses Gericht ausdrücklich nicht unseren ausländischen Gästen." Ich weiß nicht warum ich die Zweifel in den Wind schlage, am Ende sitze ich da mit einem Teller, der - wenn mich nicht alles täuscht - stinkt.
Runde fleischartige Kringel sind zu sehen, etwas scheint dort aufgerollt zu sein, die Kringel erheben sich wie kleine Brüste nach oben. Tapfer setze ich zum Verzehr an.
Wenn es ums Essen geht bin ich kein Kostverächter und durchaus auch neugierig auf Neues. Der Geruch überträgt sich glücklicherweise nicht eins zu eins auf den Geschmack - angenehm ist das alles jedoch nicht gerade.
Mein Mitbewohner ist ziemlich schockiert. Er schreibt eine Nachricht an einen französischen Freund und beschreibt ihm die abscheuliche Mahlzeit mit Bitte um Aufklärung. Die Antwort kommt zwei Minuten nachdem ich den Teller vollständig geleert habe: Ich habe soeben Darm gegessen - die Franzosen nennen das ganze viel feinsinniger "Andouille".

Eine kurze Recherche im Internet bestätigt: "Die Andouille ist eine französische Wurst, die im Wesentlichen aus dem Gekröse (bestimmte, sonst eher verschmähte Innereien) von Schlachttieren besteht, vor allem von Schweinen. Kleinere Formen sind auch als Andouillettes erhältlich."

Eine andere kulinarische Attraktion, die wir letztens "entdeckt" und daraufhin überaus reichlich konsumiert haben, ist der Champagner der Marke "Montparnasse". Das Gesöff ist nicht nur nach dem verkehrsreichen Platz und Bahnhof direkt vor unserer Haustür benannt - er kostet auch nicht mehr als 1,20 Euro und schmeckt entsprechend. Achtung beim Öffnen: Billiger Champagner ist für seine Explosivität bekannt - dieser hier hat tatsächlich eine Delle in unserer Decke hinterlassen.

Von billig zu noch billiger: Eines der billigsten Güter in Paris ist seine Kultur. Und damit wären wir endlich beim geplanten Thema des Artikels.
Dass Kultur hier so billig zu haben ist liegt vielleicht daran, dass sie hier im Überfluss vorhanden ist. An Sonntagen kann man von einer Kirche zur nächsten wandern und wird immer wieder in kostenlose Klavierkonzerte oder ganze Orchestervorführungen stolpern. Wenn man schon vorher wissen will, was überall gespielt wird, kann man sich am Zeitungskiosk "L'Officiel" holen, einen kleinen Terminkalender für mehrere Wochen.
Aber auch die "großen Künste" sind nicht unerschwinglich. Eine Vier-Stunden-Komplett-Oper gibts schon ab 6 Euro pro Student. Vor einer Woche waren wir zu diesem Preis in Händels "Ariodante" im "Theatre des Champs Elysées". Unsere Plätze waren ganz oben, in einer Art Holzkabine mit Fenster. Wenn der Stuhl auch noch ganz am Fenster steht, kann man ziemlich gut sehen, was vor sich geht. Wenn man in der zweiten Reihe sitzt bleibt nur zuhören oder aufstehen.
Eher zufällig nochmal große Kunst gabs dann letzten Sonntag: Zu einem kostenlosen Orgelkonzert in einer sehr modernen Kirche in der Nähe von Bastille war auch eine englische Opernsängerin erschienen.
Und die sang nicht nur - vom Publikum großenteils eher unerwartet begann sie, in aufwendigen Verkleidungen durch das ganze Gotteshaus zu huschen und an den überraschendsten Orten aufzutauchen. Bei einigen Besuchern konnte sie nicht widerstehen auch mal ganz spontan in die Haare zu greifen. Die Dame von der Pforte, wahrscheinlich die Vorsitzende des Pfarrgemeinderates oder etwas ähnliches, wunderte sich zunehmend. Als die Künstlerin an ihr vorbei rauschte schaute sie doch recht skeptisch über die Ränder ihrer Hornbrille hinweg - Kunst oder gotteslästerlicher Unfug?

Foto: Englische Opernsängerin in Pariser Kirche.

Mittwoch, März 28, 2007

La France des Associations


"Jeder richtige Franzose gehört einer Association an" erklärte mein Professor in der Uni am Dienstag und machte die Runde, um festzustellen, wer alles ein guter Franzose sei. Und siehe da - neben allem sprachlichem Fortschritt: Um Franzose zu werden muss ich noch einer "Association" - also quasi einem Verein beitreten.
Am nächsten Abend bin ich da schon viel weiter: Im "Sous Bock" trifft sich meine erste "Association". Das war jetzt aber tatsächlich Zufall - schon länger hatte mir ein Freund aus Paris vorgeschlagen "doch mal vorbei zu kommen". Die Gruppe, die sich im "Bierdeckel" (genau das heißt Sous Bock) trifft, gehört der "Afasp" (Association franco-allemande pour les stagiaires professionnels) an und ist platt gesagt ein Stammtisch. Im Sous-Bock trifft sich aber der "Jugendkader" und somit ist die Sache doch schon viel interessanter. Ich lerne eine Menge Leute kennen, Deutsche die in Frankreich wohnen, Franzosen, die deutsch lernen wollen. Und zum Beispiel Renan, der gerade sein Deutsch auffrischt, weil seine Freundin aus Deutschland kommt. Wir sprechen aber hauptsächlich französisch - an seinem ersten Abend hier geht das noch schneller.
Renan ist etwa so alt wie ich und "Schauspieler und Musiker". Ich kann mir zunächst nicht recht erklären wie er so Geld verdient, aber neben Engagements für Werbung und Serien von TF1, so stellt sich heraus, steht er tatsächlich bei Sony unter Vertrag. "Wir sind ein bisschen wie die französischen Beatles" erklärt er und fügt hinzu "nächstes Jahr sollen wir groß rauskommen". Im Internet ist seine Gruppe ">Folkom" tatsächlich schon recht professionell aufgestellt (siehe auch auf dieser Seite unter >Videos). Er erklärt mich zu seinem Deutsch-Lehrer. Toll! Jetzt werd ich vielleicht auch bald berühmt.
Später unterhalte ich mich noch ein bisschen mit zwei Bilingualen. Beide haben die doppelte Staatsbürgerschaft und deutsche Eltern, aber noch wenig Zeit in ihrer zweiten Heimat, Deutschland, zugebracht. Ich erkläre, dass ich sie um ihre Bilingualität beneide - alles muss einem so leicht fallen.
Doch scheinbar ist dem nicht immer so. Übereinstimmend erklären beide, dass man auch Nachteile hinnehmen muss. So ist man in beiden Ländern der "Exot" und Aussenseiter. Und dass man beide Sprachen wirklich perfekt beherrscht ist fast nicht möglich - es ist immer phasenweise die eine oder andere Sprache, in der man fitter ist, erklärt mir eine der beiden. Ihr Nachbar bedauert, dass seine deutsche Grammatik beim schnell sprechen doch sehr hakt. Dass einem alles leichter fällt stimmt auch nicht. Er ist in der Schule sitzen geblieben.

Foto: Europa wird 50, Erasmus wird 20. Zu diesem Anlass wimmelt es nur so von Festakten. Über meinen Mitbewohner habe ich mich auf die Gästeliste der deutschen Botschaft setzen lassen, die Festreden und ein kaltes Buffet verspricht. Nachdem wir die Einladung um ein Haar vergessen hätten, zeigt sich der Empfang als ziemlicher Reinfall - aber immerhin verbilligen kostenloses Bier und Wein den weiteren Wochenendverlauf. Das Bild ist im Botschaftsgarten aufgenommen.

Dienstag, März 20, 2007

Neulich in der Metro

Von Zeit zu Zeit trifft man ein paar seltsame Gestalten in der Metro. Bei ganz besonders seltsamen Gestalten mache ich mir nachher manchmal ein paar Notizen. Im Folgenden handelt es sich um ein nettes, aber etwas trauriges Beispiel:

An der Station „Creteil l’Echat“ steigt eine Frau in die Metro.

Zuerst setzt sie nur ein Bein in die Metro und raucht, halb im Freien stehend, ihre Zigarette zu Ende. Dann – einen Augenblick bevor die Türen schließen, lässt sie die Kippe fallen und steigt ganz ein.
Sie setzt sich in die Sechser-Bank im hinteren Abteil des Wagens. Sie holt ein Notizbuch hervor und beginnt einige Sätze zu schreiben. Ich sitze ihr gegenüber und betrachte das Notizbuch – es sieht genauso aus wie meines. Sie fragt mich nach dem Datum.
In das Notizbuch sind einige Zettel geklemmt. Die Frau spielt mit einigen Mc Donalds Gutscheinen herum, klappt sie auf und zu und fragt mich schließlich ob ich welche davon haben möchte.

Nein? Dann fragt sie, ob ich Ausländer sei, ein Gespräch beginnt. Woher ich komme, was ich mache.

Ja, Geographie interessiert sie auch, bei Ökonomie dagegen könnte sie kotzen. Ja wirklich, an dem Tag, an dem sie herausfand wie die Wirtschaft funktioniert – sie hat darüber nachgelesen – hätte sie einfach nur kotzen können.

Sie interessiert sich für vieles. Sie kommt aus Yugoslawien. Heute gibt es das Land nicht mehr. Da sie selbst teils kroatische, serbische, bosnische und montenegrinische Wurzeln hat, kommt sie jetzt aus vier Ländern – genauso gut wie aus keinem. Da könnte sie auch kotzen. Wie man mit Religion als Vorwand so einen Krieg veranstalten kann. Naja, in Wirklichkeit ging es da ja auch um die Wirtschaft. Schlimmer noch, um die Wirtschaft von nur ganz wenigen Leuten.

Sie mag den Winter hier nicht. Wenn es kalt ist geht es ihr schlecht. Sie rückt ihren alten Pelzmantel zurecht.

Die Astronomie interessiert sie auch. Sie hat erfahren, dass es einen kleinen Stern gibt, der so heißt wie sie: Tana. Sie kann sich nicht genau erinnern, in welcher Galaxis der Stern liegt. Aber sie würde sich wünschen, irgendwann mal da hin zu fliegen. Sie weiß natürlich, dass das nicht geht.
Ob man weiß, was auf dem Stern vor sich geht? Es ist nur ein kleiner Stern – da ist nichts los. Nur ein kleiner Stern, wie sie selbst – kein großer Star.

Aber eigentlich ist die Frau Musikerin. Musik mag sie wirklich gern. Da gibt es etwas, das sie jetzt zuende bringen will – ihr Album. Ein eigenes Musikalbum. Danach will sie schon auch wieder was richtig Vernünftiges arbeiten – Wirtschaft und so. Aber vorher das Album.

Sie hat einmal für einen berühmten Jazzmusiker gearbeitet. Die Musik hat sie nicht wirklich gemocht, aber da hat sie angefangen an einem eigenen Album zu basteln. Ihrs hat eher einen funkigen Stil. Das Album wird „Stoppt den Krieg“ heißen. Der Titelsong: „Ich liebe euch alle“.

Foto: Metrostation Strasbourg-St. Denis

Zur Jagd, Messieurs!

Wenn es dem Pariser nach der guten alten Fuchsjagd gelüstet - oder etwa nach einem Topf Hirsch-Gulasch zum Abendessen - dann hat er natürlich die Möglichkeit, sein Glück im Bois de Boulogne zu versuchen, ganz wie der Adel in alten Zeiten. Doch wird er feststellen, dass jener Wald längst nicht mehr so sehr zur Jagd taugt, das Naturerlebnis viel mehr durch Jogger, Autolärm und Stricher gestört wird, die einem ständig vor die Flinte laufen.
Aber es gibt Abhilfe. Für das Hirsch-Gulasch sorgt die Küche im Hotel "George V", das Jagd-Ambiente findet man im "Maison de la Chasse" im dritten Arrondissement.
Als wir zu unserem Samstags-"Jagd"-Ausflug vor dem Haus ankommen sehen wir gleich: Wir sind heute die jüngsten Besucher. Eine Kohorte Malteser schiebt gerade eine Ladung Rollstühle in die Lobby - alles alte Jäger vermute ich mal.
Aber die Herrschaften wissen was gut ist: Ein ganzes Sortiment kunstvoller Bärentöter und ein ganzer Zoo von Trophäen sind dargeboten. Sicher ist dieses Museum nicht für jeden Geschmack geeignet. Doch wer sich einprägt, dass all diese seltenen Tiere sicherlich starben, bevor auch nur eines von ihnen einen Tierschützer vom WWF kennen lernen konnte, kann sich beruhigen: Die Sammlung wird nicht weiter vergrößert.
Leoparden, Nilpferde, Elche und Eisbären gehören zum Inventar des Hauses. Daneben immer wieder Jagdszenen auf alten Gemälden und geschmacklose Suppenschüsseln in Wildsau-Kopf-Dessin. Ein Skurilitäten-Kabinett einerseits, andererseits super schicke Interieurs aus dem 19. Jahrhundert - Florian weiß gar nicht mehr wo ihm der Kopf steht.
Moderne Ausstellungen im oberen Stockwerk, sowie in einem der Seitenflügel beleuchten, sozusagen als Ausgleich, die umstrittenen Aspekte der Jagd. Abschreckend großformatige Fotos lassen einen fast zum Vegetarier werden...

Dann doch lieber blonde Schwedinnen Jagen - im Haus der schwedischen Kultur um die Ecke - da gibts auch Kuchen und Kaffee zum "runterkommen".

Fotos: Roter Teppich vor Gewehr-Sammlung und Trophäen-Saal (Ausschnitt).

Donnerstag, März 15, 2007

Inland Empire - französisches Kino (1)

Wir waren mal wieder im Kino. In einem winzig kleinen Programm-Kino, nur einen Häuserblock von der Sorbonne entfernt, im Quartier Latin. "Inland Empire" von David Lynch - ein Film der so verwirrend ist, dass man immer wieder resigniertes Aufstöhnen aus dem Dunkel des Kinosaals vernehmen konnte.

Was das Kino angeht, ist Frankreich überraschend international. Sämtliche Filme laufen in ihrer Originalversion, Übersetzungen gibt es zwar auch, aber offensichtlich sind die nicht sonderlich populär. Und was die Zahl der Kinos angeht, ist Paris einfach eine Wucht. Allein rund um den Bahnhof Montparnasse, wo wir wohnen, gibt es ein halbes Dutzend. Weitere populäre "Kino-Quartiere" sind am Boulevard St Germain rund um die Metrostation "Odeon" und im Bereich von Pigalle. Dazu kommen natürlich die großen Multiplex Kinos, zum Beispiel im Zentrum von Les Halles oder in Bercy.

Doch ist die Popularität von Kino in Paris nicht verwunderlich: Nicht nur schützt Frankreich seinen Film bis heute relativ erfolgreich vor Hollywood (unter anderem durch das nachlässige Übersetzen amerikanischer Filme) - das Kino wurde in dieser Stadt sogar erfunden! Das zumindest lernt man in Frankreich.

Am 28. Dezember 1895 veranstalten die Brüder Lumière die erste öffentliche Filmvorführung mithilfe ihres gerade erfundenen "Cinematographen". Das erste "Kino" - eigentlich eine Bar - liegt auf dem Boulevard des Capucines Nr 25, zwischen Madeleine und Oper. In unserem "Cinema"-Kurs an der Uni haben wir den Kassenschlager von damals gesehen: Ein Zug fährt in einen Bahnhof ein - spek-ta-ku-lär. Die Zuschauer damals sollen allerdings panisch aus ihren Stühlen aufgesprungen sein, befürchtend, jeden Moment von dem Zug auf der Leinwand überrollt zu werden.

Schließlich war Frankreich nicht nur die Wiege des Kinos - auch seine erste Hochburg. Das erste Hollywood - auch in Paris. Im 20. Arrondissement entstanden in der Stummfilmzeit die Studios von Charles Pathé. Der "Napoléon de Cinéma" baute ein ganzes Imperium des Films auf: Schauspieler, Filmproduktion, Filmverleih und Kinos - alles aus einer Hand und zwar auf der ganzen Welt. Pathé Filme wurden in den USA und in Indien gezeigt - und produziert. Eine Art früher Globalisierung. 1909 kommen 70 Prozent aller Filme auf der Welt aus den Studios von Pathé.

So wie alles böse aus dem Osten kommt, so kommt es auch für den Film: Der erste Weltkrieg, also irgendwie die Deutschen sind am Niedergang des ersten französischen Film-Imperiums schuld: Die Pathé-Studios produzieren Waffen und die Soldaten schauen während des Fronturlaubs amerikanische Streifen.

In einem anderen Kurs mit dem Titel "Debats contemporaires" behandeln wir auch gerade das Thema Film. Unser Dozent, der ältere Herr, den ich auch schon in "Expression orale" im letzten Semester hatte, schert sich einen feuchten Furz um seinen eigentlichen Lehrplan. Er will den Beweis antreten, dass früher alles besser war - und zeigt uns dazu 4 verschiedene Versionen von "Les Miserables". Die ersten beiden sind schwarz-weiß und laut unserem Dozenten den moderneren Versionen (vor allem der mit dem furchtbaren Gerard Depardieu) haushoch überlegen. Jede Bewegung, jedes Detail der Ausleuchtung - alles hat etwas zu bedeuten in den alten Streifen. In den neuen Farbfilmen ist doch alles beliebig und undurchdacht. Seit drei Sitzungen sind wir jetzt schon dabei mit ihm über die schlechte Qualität heutiger Kinofilme zu diskutieren und das Übel moderner Zeiten im allgemeinen zu ergründen. Mein Argument war, dass er schlecht ein Original mit drei "Remakes" vergleichen könne und da doch eher ein Original moderner Zeiten heranziehen solle.
Auf seine Gegenfrage, was ich denn vorschlagen würde, hatte ich keine wirklich überzeugende Antwort. Ich hätte vielleicht sagen sollen: "Inland Empire von David Lynch - da hat alles so viel Bedeutung, dass das ganze Kino stöhnt!"

Foto: Abendstimmung über den Dächern von Paris, von unserem Balkon aus gesehen.

Montag, März 12, 2007

Le Roi Est Mort - Vive le Roi!

Der alte Mann hat abgedankt. Der Präsident der Republik, Jacques Chirac hat in einer Fernsehansprache angekündigt Frankreich "autrement" - also andersrum dienen zu wollen, vulgo: den Hut zu nehmen und sich in den anstehenden Wahlen nicht gegen Sarkozy (aus dem gleichen Lager) zu trauen.
Jacques Chirac war sehr bewegt in seiner Ansprache und mit Krokodilstränen in den Augen (und einer Cola on Ice in der Hand) haben wir festgestellt: Er ist offensichtlich ziemlich zufrieden mit dem was er so angestellt hat. Die meisten seiner "Compatriots" sind da eher zurückhaltender mit ihrer Euphorie. Wer war dieser Präsident? Der Mann zwischen Mitterrand und der ersten Frau im Amte? Oder schlimmer noch: Der Mann zwischen Mitterrand und dem anderen, kleineren Mann? (dritte Möglichkeit: Der Mann zwischen Mitterand und Francois Bayrou - und das ist wirklich keine schöne Vorstellung.)
In seinem voraussichtlich letzten großen Moment gab Chirac seinen "Compatriots" noch die Tipps, die ältere Männer gerne geben (bändelt nicht mit den Extremisten, um zehn gehts ins Bett, etc...), machte jedoch auch deutlich: "Ich könnte jetzt sagen wen ihr wählen sollt - mach ich aber nicht!" Klarer Fall von Antipathie gegen den Emporkömmling Sarkozy, der Chirac - darauf deutet derzeit alles hin (vor allem die anhaltende Unfähigkeit des Wahlkampfteams von Ségolène) trotzdem beerben wird. Aber die Theatralik erlaubt er sich - vielleicht ja wissend, dass das Ende ihrer Amtszeit noch die wenigsten französischen Präsidenten länger überlebt haben.
Zufälligerweise (und doch scheinbar irgendwie passend) waren wir am selben Tag in der Kathedrale von Saint Denis. Dort sind unter aufwendigen "Liegend-Statuen" nahezu alle französischen Könige beerdigt. Doch auch das wird dem ehemaligen Präsidenten niemals vergönnt sein: Seit der französischen Revolution ist es vorbei mit Vorzugsgräbern in dieser prominenten Lage.

Fotos: Oben: Nachdem es eigentlich jedem schon klar war hat er es nochmal klargestellt: Jacques Chirac verzichtet auf eine weitere Kandidatur. Unten: Zwei von fast 80 adligen Häuptern, die in der Kathedrale von St Denis die Zeit nach ihrer Demission verbringen. Die Kathedrale liegt mitten im Problem-Banlieue St Denis.

"Servir Autrement" - die Rücktrittserklärung im Internet: > hier

Donnerstag, März 08, 2007

Sonnenbrillen und Fliegerinnen


Dirk hat eingeladen - sturmfreie Bude und "Eier mit Mayo". Dirk wohnt zusammen mit einem rustikalen Franzosen, der in einer Ente Touristen durch Paris fährt. Ansonsten studiert er Deutsch und ist Fan von Rugby, Feldhockey und der DDR. Die Wohnung ist entsprechend ausgestaltet: Wimpel der DDR-Rugby-Mannschaft (ich wusste nicht, dass es das gab) und Hockeystöcke. Dazwischen Dirks modische Accessoires. Unter anderem: Zweihundert-Pfund Sonnenbrillen, die sich auf einigen Fotos ganz wunderbar machen...

Am überaus prunkvollen Eingang unseres Hauses in der Rue de Rennes ist eine Gedenktafel angebracht: Im selben Haus wohnte in den 30er Jahren Hélène Boucher "Aviatrice Francaise". Da ich selbst süchtig nach allem bin, was mit Fliegen und Flugzeugen zu tun hat, habe ich mich natürlich mal ein bisschen informiert.
In unserem Haus wohnte in den 30er Jahren nicht nur "eine" französische Pilotin, Madame Boucher war bekannt als "die schnellste Frau der Welt".
Angefangen hatte sie sehr feminin mit der Anfertigung von Fliegermützen. 1931 wurde sie erste weibliche Flugschülerin ihres Aeroclub de Landes in Mont-de-Marsan und begann ihre kurze, aber steile Karriere.
Im Jahr ihres Todes 1934 stellte sie mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 485 Stundenkilometern auf 100 Kilometern einen Rekord auf und bemerkte beim Aussteigen aus ihrer Maschine "das geht besser". Auf ihrem Schrank im Wohnzimmer standen außerdem acht weitere Trophäen für verschiedene Weltrekorde. Unter anderem für den Höhenrekord der "Frauen in leichten Flugzeugen" von 5200 Metern.
Über ihrem Flugplatz in Versailles verunglückte sie schließlich bei einem Übungsflug tödlich. Doch als Kunstfliegerin hatte sie einigen Ruhm gesammelt und so wurde die Frau der Rekorde schließlich auch noch die erste Frau, die im Pariser Invalidendom aufgebahrt wurde. Postmortem schlug man sie zum Ritter der französischen Ehrenlegion und vermietete ihre alte Wohnung an zwei ausländische Studenten - und das zu einem überaus fairen Preis.

Foto (unten): Gedenktafel an unserem Hauseingang.

Montag, März 05, 2007

London gegen Paris


Das letzte Wochenende haben Lee und ich einen Ausflug ins gar nicht so ferne London gemacht. Mit dem Eurostar fährt man nur etwa zweieinhalb Stunden und ist zu einem Full English Breakfast bereits in der Stadt an der Themse.
Hauptziel unseres Unternehmens war es, die Familie von Lee zu besuchen. Nebenher blieb aber noch genug Zeit für die Stadt selbst.
London und Paris konkurrieren hart in ihrer Attraktivität. Doch einige eklatante Unterschiede legen die Charaktere der beiden Städte fest: Paris ist die Stadt der Ferien, London die Stadt der Arbeit. In Paris sieht man keine Bank-Hochhäuser. Es gibt kaum reine Büroviertel wie in London. Paris ist die Stadt des "Laisser faire" und die meisten Engländer, die den Zug durch den Tunnel nehmen, haben Urlaub im Sinn. Pariser, die nach London fahren, sind dagegen eher selten wegen der guten Seeluft unterwegs.
London ist viel moderner. Die Architektur ist ein Mischmasch wie es sich für eine Weltstadt gehört. Die Uferpromenaden sind nicht pitoresk wie in Paris sondern chaotisch überbaut. Wolkenkratzer wie das ovale Gherkin-Gebäude verschaffen der Stadt alle paar Jahre eine neue Silhouette. Im beschaulichen Paris können nur Kenner die Stadt der 70er Jahre vom heutigen Paris unterscheiden. London ist ausufernd und nicht überall wirklich schön und sehenswert. Paris ist herausgeputzt und hat kaum "Problemstellen".
Paris ist außerdem viel kleiner. In Paris lebt man auf einer sprichwörtlichen Wohlstands-Insel und kümmert sich nicht um den Rest von "Ile de France". London ist das ganze Bild. Nicht nur das schöne Zentrum, auch die Arbeiterviertel und Hochhaussiedlungen der Vorstadt gehören dazu. Die Underground fährt bis raus, wo der Acker anfängt.
Und das ist auch ein Unterschied zwischen den beiden Metropolen: Die Underground sieht zwar schnittiger aus als die gemütlichen Metro-Waggons im Pariser Untergrund, aber mit der Funktionstüchtigkeit ist es nicht so weit her. Jedes Wochenende werden zur Überholung gleich mehrere Streckenabschnitte komplett geschlossen. In den Wagen fehlen Feuerlöscher und die Luft ist stickig. Und der Preisunterschied ist enorm: Von der Endstation ins Zentrum von London kostet einfach etwa 7 Pfund.
Paris ist die Stadt der schönen Kunst und Kultur, London ist Party-Metropole. Jedes Wochenende fährt das E-Croud mit dem Eurostar rüber zum durchfeiern. Wir sind dieses eine Wochenende natürlich mitten drin. Und noch etwas hat London, das in Paris fehlt: Eine alternative Szene, etwas wie das Hamburger Schanzenviertel oder der Berliner Prenzl-Berg. In London heißt das zum Beispiel "Camden-Town" und ist schon heftig "gentrificated". Das heißt, es ist nicht mehr wirklich so richtig alternativ, sondern vor allem teuer und "ausgeflippt". Nichts desto trotz: In Paris gibts das nicht. In Paris gibt es nämlich offiziell keine Minderheiten. Alle, die in Frankreich leben, sollen auch Franzosen sein. Und so kommt natürlich keiner auf die Idee mal das Viertel der schwarzen Franzosen auf seine alternativen Qualitäten zu untersuchen. Die gibt es sicher - ich bin Fan von einigen Straßen rund um die Bahnhöfe, in denen es von ausländischen Küchen, Geschäften und Festivitäten nur so wimmelt. Doch zieht es die Kreativen noch nicht wirklich in diese Viertel. Die ethnischen Ecken von Paris bleiben unerschlossen, in London taumelt man von einem orientalischen Imbiss in die nächste Galerie und die übernächste Second-Hand Buchhandlung.
Und in den sanften grünen Hügeln außenrum fahren Gentlemen in Landrovern ihre Jagdhunde spazieren und englische Ladies sitzen in Parks vor umwerfend schönen Anwesen und trinken Tee. Ach wie gerne wäre ich doch ein englischer Großgrundbesitzer.

Fotos: Oben: London, England - mit 7,4 Millionen Einwohnern drittgrößte Stadt Europas nach Istanbul (8,8 Millionen) und Moskau (8,4 Millionen). Paris ist mit nur etwa 2,1 Millionen Einwohnern bedeutend kleiner (sogar Berlin hat mehr), verzichtet aber lieber auf die unschönen Vorstädte und rechnet nur die Einwohner der inneren 20 Arrondissements ein.
Unten: Camden Lock in Camden Town. Diese Art "alternativer" Viertel sucht der Yuppie in Paris vergebens.

Mittwoch, Februar 28, 2007

Leben auf der Rosenlinie


Mein kleiner Bruder war zu Besuch in Paris. Mithilfe seiner literarischen Fachkompetenz haben wir Paris nach Schauplätzen von Dan Browns "Sakrileg" durchkämmt. Es zeigte sich, dass die Kirche Saint Sulpice, die in dem Buch (wie auch in dem Film "The Da Vinci Code") einige Bedeutung hat, gerade um die Ecke, nicht weit von meinem Appartement liegt.
Das heißt auch, dass unser Appartement quasi auf der legendären Rosenlinie liegt. Ich weiß zwar nicht wie genau wir darauf liegen, ob die Linie eher durch Küche oder Klo verläuft, aber quasi - in globalem Sinne quasi genau - wohnen wir darauf.
In der Kirche Saint-Sulpice ist jene Linie mit einer in den Steinboden gegossenen Metallschiene markiert. Die Markierung dient dort zur Bestimmung verschiedener Kirchenfeiertage - die Sonne fällt über das Jahr verteilt in verschiedenen Winkeln durch eines der Kirchenfenster und beleuchtet so immer andere Abschnitte der Linie. Der Priester muss zur Vorbereitung seiner Predigten also lediglich die Rosenlinie checken und anschließend die passende Predigt aus der Sakristei heraus suchen.
In Dan Browns Roman vermutet eine dunkle Kapuzen-bedeckte Gestalt den heiligen Gral auf eben dieser Linie in eben dieser Kirche. Doch, wie die meisten Touristen die St Sulpice aufsuchen wissen: er irrte sich. Der Gral bleibt verborgen.
Eigentlich ist die "Rosenlinie" in Paris eine ganz profane mathematische Linie: Der alte Nullmeridian. Wenige hundert Meter südlich von St Sulpice liegt nämlich das Pariser Observatorium, durch jenes die Linie ebenfalls führt. Hier legten die französischen Astronomen, als sie noch einige Bedeutung genossen, den Nullmeridian fest. Nur um einige Jahre später von den Engländern überrumpelt zu werden, die ihren eigenen Nullmeridian einige Kilometer weiter westlich fest legten: Auf der Höhe von Greenwich, London.
Und so geriet die alte Rosenlinie in Vergessenheit. Und der heilige Gral wird wohl ewig unentdeckt bleiben - direkt unter der Kloschüssel in unserem Bad.

Foto: Auch in Paris: Die Pyramide Inversé, direkt neben Virgin Megastore und laut Dan Brown Grabmal der mysteriösen Maria Magdalena.

Samstag, Februar 24, 2007

Wenn ein Auto vom Himmel fällt...

Der Autoverkehr in Paris ist berüchtigt. Aber nicht nur deshalb ist es ein Erlebnis einmal statt mit der Metro, mit dem Mietwagen durch die Lichterstadt zu "cruisen". Praktisch, wenn ein Pariser Freund zufällig mal einen Mietwagen zur Hand hat.

Unser Ausflug als Comic-Strip: (drauf klicken um die Bilder zu vergrößern)




Dienstag, Februar 20, 2007

Tier- und Menschversuche


Cité des Sciences im Park de la Vilette ist ein Museum moderner Zeiten. Nicht leblose Kunst, sondern unser aller Wohlergehen werden ausgestellt. Die Ausstellung mutet erst etwas wirr an - von Energiequellen der Zukunft und der guten alten Mirage mit A-Bombe ist da die Rede. Genauso wie von unserem Hörorgan und den verschiedenen Jodeltechniken in den Alpen. Das Gesamtkonzept scheint allzu umfassend angelegt.
Doch langsam freundet man sich mit der "Mitmach-Philosophie" des Museums an. In der einen Ecke schießt man selbst Raketen in Richtung Museums-Decke, während gegenüber virtuell Schlagzeug gespielt werden kann.
Der Besucher soll lernen. Verschiedene Ausstellungen beschäftigen sich mit Ökodesign und dem weitergehenden Raubbau an der Natur oder auch mit den neuen Tunneln durch das schöne Alpenpanorama. Eine Ecke weiter "beschwert" sich ein "Besucher" bei der Museums-Führung über die Entführung seiner Frau durch Außerirdische.
Die weißen Mäuse in der Abteilung "Gentechnologie" kümmert das alles nicht. Wenn sie nicht schlafend in einer Ecke ihres Käfigs liegen, sind sie gemütlich in Plastik gegossen und sehen nur fast aus, als lebten sie noch...
Die leicht verrutschten Augen starren dabei direkt auf einen großen Glas-Krug mit nackten Plastik-Babys. Ein bisschen Wissenschaft vereint mit viel Eindruck.
Es ist am Ende nicht ganz klar, ob sich der interessierte Besucher eher in einem Vergnügungspark befindet oder in einem Museum. Im Flugsimulator lernt man eben mal unter Anleitung das Führen einmotoriger Kleinflugzeuge während man sich ein Stockwerk tiefer einer perspektivischen Besucher-Verarschung ausgesetzt sieht. Die Erklärung für das scheinbare Schrumpfen, Schweben oder Verschwinden wird nachgeliefert - das Entertainment ist dem Besucher doch meist wichtiger - und das allein lohnt den Besuch.

Foto: Da fühlt sich der Besucher doch gleich ganz schuldig. Wohin er nur sieht: Weltuntergang.

Mehr Bilder gibts > hier

Donnerstag, Februar 15, 2007

Écrits Pornographiques


J'avais acheté un beau concombre
Ben gros, ben long, ben vert
Et je revenais sans encombre
Du marché de Nevers

Das ist die erste Strophe eines Buches, dass ich letztens in einem Second-Hand Buchladen gefunden habe. "Écrits Pornographiques" von Boris Vian. Der Umschlag und der Titel haben es mir angetan und da ich in der Metro sowieso viel zum lesen komme, hab ich es für ein paar Centimes erstanden. Beim ersten Mal in der Metro habe ich darauf geachtet, ob irgendjemand auf den Titel reagiert. Das stoische Arbeitnehmervolk morgens und abends ist aber meist nicht zu beeindrucken. Nur zwei, drei Mal auf der Strecke konnte ich aus dem Augenwinkel betrachten, wie Fahrgäste den Titel zweimal gelesen und ihr Gesicht dann zu einem leichten Grinsen verzogen haben.
Dabei ist der Inhalt nun wirklich nicht als verwerflich zu bezeichnen. Boris Vian kennt man eher für Texte die so absurd sind, dass ich "Der Schaum der Tage" nicht mal auf Deutsch verstanden habe. Und hier noch eine Strophe, weiter "hinten" im Buch...

Une heure après j'étais fort aise
Et le concombre aussi
Viens là mon gros que je te baise
C'est ca que j'y ai dit

Samstag, Februar 10, 2007

Einige Amerikaner in Paris: Ballett


Ich war zum ersten Mal in einem Ballett. Das American Ballet Theatre ist im Theatre Châtelet zu Gast und ein Freund ist auf der richtigen Uni, um billige Karten zu beschaffen.

Für fünf Euro stehen wir also in unseren feinen Sachen bald zwischen Leuten, die sich noch viel feinere Sachen leisten können - vor dem Theater. Die Damen in Pelz und Zentnern Schmuck, die Herren mit eleganten Anzügen aber meist ohne Hut. Ein Kleinbus kommt herangefahren, hält direkt vor dem Eingang des Theaters und spuckt eine Traube gut gelaunter schwarzer Amerikanerinnen aus. Diese Damen tragen ihren wohl verdienten Reichtum am offensichtlichsten zur Schau, unter ihnen ist eine Hollywood-Schauspielerin (wie Lee zu erkennen glaubt) und ihre dicke Freundin, die immerzu lacht und später im Saal quer über drei Stühlen liegt um mit "ihren Mädels" zu tratschen.

"Das ist die Filmmutter von Lindsay Lohan, als die durch einen chinesischen Glückskeks die Persönlichkeit tauschen" argwohnt Lee - muss später aber einsehen, dass Lindsay Lohan genauso weiß ist, wie ihre Filmmutter. Aber - wir werden die Damen aus Hollywood noch identifizieren.

Drinnen im Saal geht es golden zu. Auf sechs Stockwerken gibt es Ränge, von fast überall hat man einen ziemlich guten Blick auf die Bühne. Jedes Stockwerk hat opulent verzierte Balkone und samt-rot bezogene Klapp-Sessel. Im Orchestergraben bereitet sich das Orchester vor.

Dann geht das Licht aus, die Dicke wuchtet sich auf ihren ureigensten Platz zurück und das Murmeln erstirbt. Das erste Stück - Mozart - ist (für meinen ungeübten Kennerblick) sehr klassisches Ballett.
Viele kleine Mädels im Tütü tippeln fast perfekt synchron zur sehr schönen Musik. Doch das Ballett ist nicht lautlos. Das tippeln hört man ziemlich deutlich. Ich weiß nicht ob das so sein soll, aber ich finde es ein bisschen störend.
Dann kommt der einzige Mann in diesem ersten Teil auf die Bühne. Zuerst glaube ich, es handelt sich um einen glücklichen Gewinner aus dem Publikum, denn sein Part beschränkt sich zunächst auf gönnerhaftes Zusehen, Kopfnicken und Arme strecken. Er darf die Damen an den Hüften berühren, muss sich selbst aber nicht so sehr anstrengen. Erst gegen Ende gibt er eine kurze Kostprobe seines Könnens und zeigt dem Publikum sein gewaltiges Hinterteil.

Der zweite und dritte Teil übertreffen den ersten Teil sogar noch. Im Zweiten (Mahler - Kindertotenlieder) singt ein Tenor auf einer Bank sitzend, während die toten Kinder (es geht wohl um ein Fischerdorf, das der Sturm heimgesucht hat) ihr Ballett aufführen. Hin und wieder wird das Theater dumpf erschüttert, wenn die Metro unter dem Gebäude hindurch fährt.
Zum Schluss wird es amerikanisch-athletischer: Eine ganze Wagenladung Ballerinas und einige durchaus gut gebaute Tänzer begeistern den Saal. Zur "Minimal Music" von Philip Glass wird der Tanzstil stetig schneller und artistischer und kurz bevor der Bühnenboden nachgibt hört es auf und die Show ist gelaufen.

Und danach erstmal zum Pizzahut um wieder von dem ganzen Luxustrip herunter zu kommen.

Fotos: Das Theater Châtelet mit der Metro im Keller und: Ein Album von schwarz-weiß Bildern, dass ich eigentlich schon beim vorletzten Post online stellen wollte.

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