Sonntag, Mai 06, 2007

Franzosen zur Wahl!

Manchmal hat man das Gefühl in einem sehr kleinen Land zu wohnen: Bei den Wahlen zum nächsten Präsidenten müssen wir nur etwa 20 Minuten laufen um in der Rue de Solférino zu landen: Dem Hauptquartier der "Parti Socialiste".

Paris war heute in zwei Ufer aufgeteilt: Rive Gauche mit dem Hauptquartier der Linken und all den "militants", die davor auf die erlösende Botschaft um exakt acht Uhr warteten und auf der anderen Seite Rive droite: Dort auf dem Place de la Concorde würde später Sarkozy seinen Sieg feiern. Dass wir in der Rue de Solférino auf der Verliererseite stehen, wissen wir zunächst zwar nicht sicher, doch irgendwie ahnen es viele.

In Frankreich gibt es - um Beeinflussung zu vermeiden - bis exakt acht Uhr keine Angaben über den Stand der Wahlen. Doch Informationen von ausländischen Nachrichtensendern sickern durch: Es steht schlecht für die Linken und so ist die Stimmung vor dem großen Gebäude der Sozialisten in der Rue Solferino nur gedämpft euphorisch - die Hoffnung stirbt zuletzt. Wer in die Fenster des Hauses schaut und die vereinzelten Mitarbeiter der Sozialisten sieht, ist bestätigt in seinen negativen Vorahnungen.

Warum wir auf dieser Seite und nicht bei Sarkozy stehen? Nun - es ist näher, einige Freunde sind da und außerdem wäre es wirklich peinlich - falls Royal für die Sozialisten doch gewinnt - für den konservativen, männlichen Kandidaten gefiebert zu haben. Im Endeffekt können wir hier als Ausländer nicht wählen und fühlen uns mehr als "Beobachter" der Szene.
Die Straße füllt sich mit Jungsozialisten die Rosen und Plakate hochhalten. Aus jeder Richtung grinst einen Ségolène Royal von Bannern entgegen. Internationale Kamerateams gehen überall in Stellung.

Schließlich kriege ich Durst und laufe mit einem französischen Bekannten in Richtung Bierstand, wo für soziale 6 Euro halbliter-Becher Bier verteilt werden. Auf dem Weg laufen wir den Sicherheitsleuten von Strauss-Kahn in die Arme, der sich gerade den Weg durch die Menge bahnt. Der Mann, der sich nur flüchtig für "Merci-Merci" Rufe bedankt wäre Ministerpräsident geworden - hätte Royal gewonnen. Noch ist offiziell alles offen.

Als sich die magische Uhrzeit nähert, kurz vor acht Uhr, geht der Großbildschirm auf Sendung und überträgt die Stimmung aus den beiden Lagern. Jedesmal wenn die Kamera unsere Straße einfängt geht ein ohrenbetäubender Jubel los - zeigt das Fernsehen das Gegenlager gibt es laute Buh-Rufe.
Acht Uhr. Auf dem Bildschirm erscheint eine französische Fahne. Dahinter verbirgt sich das Antlitz des neuen Präsidenten - als die Fahne fällt ist es kurz, als hätte jemand schon wieder Kennedy erschossen.

Augenblicklich kippt die Stimmung. Buhrufe, Mittelfinger und Tränen wohin man schaut. Auch zwei aus unserer Gruppe können sich nicht mehr beherrschen und weinen hemmungslos während sie Rose und Mittelfinger weiterhin stoisch in die Höhe halten - ein gefundenes Motiv für die Fotografen.

Auch ich schieße fleißig Fotos - im Album kann man bis etwa zu Bild zehn noch hoffnungsvolle Gesichter sehen, dann greift die Verzeiflung um sich.

Die Stimmung bessert sich erst wieder als schließlich Ségolène eintrifft: Etwa eine halbe Stunde nach der Wahl bahnt sie sich erst den Weg durch die Masse und tritt dann auf den Balkon. Mit Durchhalteparolen und lobenden Worten - vor allem über den hohen Grad der Mobilisierung unter den Jugendlichen - kann sie die Stimmung wieder ein bisschen heben. Die Wahl hat sie verloren. Viele ihrer jungen Anhänger sind an sozialistische Niederlagen noch nicht so gewöhnt. Die Hauptakteure dieser Partei in Frankreich sind es mit Sicherheit.

Später am Abend ruft mich Daryl an, der mit uns in der Rue Solferino gewesen war und anschließend zu Bastille weitergefahren ist. Er hat Tränengas abbekommen, weil die extreme Linke die dort angesetzte Siegesfeier der Linken für ihre eigenen Motive missbrauchen wollte. Schon vor den Wahlen wurde davor gewarnt, dass im Falle eines Sieges für Sarkozy Unruhen ausbrechen könnten - die nächsten Tage werden zeigen ob die Befürchtung berechtigt war.

Foto: Ségolène präsentiert sich uns nachdem sie im Fernsehen bereits ihre Niederlage eingestanden hat.

> > hier gehts zum Fotoalbum

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

hm :) schönes neues design!