Mittwoch, Mai 09, 2007

Jean Reno wartet auf Mitfahrgelegenheit

Auf dem Boulevard Raspail ist mir letztens Jean Reno begegnet. Ich war gerade auf dem Weg nach Hause von einem kleinen Ausflug ins Kino. Vor einem Büro-Gebäude auf jenem Boulevard stand er da ganz alleine und wartete offensichtlich auf eine Mitfahrgelegenheit. Als ich an ihm vorbei lief schauten wir uns - da sonst niemand da war - für einen Augenblick an. Eigentlich wäre es natürlich an mir gewesen ihn zu grüßen - aber nein - Höflichkeitsformel gerade mal wieder verschlafen und dann wars auch schon zu spät.
Er wird's nicht so schwer genommen haben. Dürfte ihm in letzter Zeit auch öfters passieren, immerhin war der neue französische Präsident Sarkozy letztens gerade sein Trauzeuge und auch sonst gibt er sich politisch derzeit ganz als Rechts-Konservativer. Er wird also schon ein paar Fans vergrault haben... Aber meine Güte! Dieser Mann hat in "Leon der Profi" mitgespielt! Alles was sich an seinem Äußeren seither geändert hat, ist offenbar seine Brille.

Jean Reno habe ich im siebten Arrondissement von Paris getroffen, einem ziemlich schicken Viertel mit Botschaften, Regierungsgebäuden wie dem Hotel Matignon und natürlich: Bon Marché, dem vielleicht edelsten Pariser Kaufhaus. Im einzigen kleinen Kino des Viertels, einem alten japanischen Tanzpalast "La Pagode" in der Rue Babylon hatte ich mich gerade zu einem französischen Filmnachmittag mit meiner Hochschulgruppe getroffen.
Anschließend beschloss ich das schöne Wetter für eine kleine Fotosafari durch die Gegend zu nutzen.

Bon Marché ist das Kaufhaus der reichen Damen von Paris. Mineralwasser für 35 Euro die Flasche (Marke: "Bling") gibts hier zu kaufen und natürlich alles was die modebewusste Pelz- und Hut-bekleidete Ministergattin wünscht. Ein Freund und Schuhverkäufer in selbigem Kaufhaus berichtete vor wenigen Wochen, dass auch Lionel Jospin, der "anders-erfolgreiche" Sozialist gelegentlich vorbeischaut - ganz ohne Bodyguards - bei Bon Marché ist man unter sich.

Direkt neben dem siebten Arrondissement liegt das sechste. Da wohne ich und da ist es schon ein klein bisschen weniger Chique. Derzeit haben wir ein Jazz-Festival im Viertel. Das knüpft an die Jazz- und Intelektuellen-Vergangenheit des sechsten, rund um den Boulevard St Germain an. Dieser Boulevard ist inzwischen alles andere als intellektuell und ebenfalls eher für gut betuchte Pariser Shopper ein Revier. Edmund White schreibt in seinem Buch über Paris zum Beispiel, es wäre ein bisschen so, "als hätte sich ein Beatnik-Balg im Erwachsenenalter zu einer eleganten und reichlich geistlosen Matrone entwickelt".

Weniger elegant ist, was passiert, als ich mich an die nächste Bushaltestelle setze und warte bis der Bus nach Hause kommt: Neben mir schläft ein Clochard den Schlaf der Gerechten, sein Alkoholvorat steht direkt daneben.
Ich schaue über die Straße, als ein kleiner, krummer Zwerg auf mich zugehumpelt kommt. Während um ihn herum der Verkehr braust hat dieser Zwerg ganz offensichtlich meine Bushaltestelle mit starrem Blick fixiert. Ganz langsam kommt er voran, steht schließlich direkt vor mir und dreht sich dann ohne ein Wort zu dem anderen Penner hin. Bückt sich, nimmt den Alkoholvorat des anderen an sich und humpelt wieder davon. Ich bin perplex. Da bestehlen sich die Penner gegenseitig ohne das leiseste Schamgefühl - offensichtlich vollkommen unbeeindruckt davon, dass ich daneben sitze und alles mit ansehe. Nun gut - ich muss zugeben, ich hab dann auch nix gesagt. Ich hab lieber mal ein Foto davon geschossen. Verkommene Menschheit!

Foto: Café Bourbon, direkt gegenüber der Assemblée Nationale im siebten Arrondissement. Schick und teuer und schlechter Service.

>> zum Fotoalbum mit: Sonnenbaden gegenüber dem siebten, Jazz und Penner im sechsten, teures im Bon Marché sowie das Kino "La Pagode" in einem alten japanischen Tanzpalast.

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