Donnerstag, März 15, 2007

Inland Empire - französisches Kino (1)

Wir waren mal wieder im Kino. In einem winzig kleinen Programm-Kino, nur einen Häuserblock von der Sorbonne entfernt, im Quartier Latin. "Inland Empire" von David Lynch - ein Film der so verwirrend ist, dass man immer wieder resigniertes Aufstöhnen aus dem Dunkel des Kinosaals vernehmen konnte.

Was das Kino angeht, ist Frankreich überraschend international. Sämtliche Filme laufen in ihrer Originalversion, Übersetzungen gibt es zwar auch, aber offensichtlich sind die nicht sonderlich populär. Und was die Zahl der Kinos angeht, ist Paris einfach eine Wucht. Allein rund um den Bahnhof Montparnasse, wo wir wohnen, gibt es ein halbes Dutzend. Weitere populäre "Kino-Quartiere" sind am Boulevard St Germain rund um die Metrostation "Odeon" und im Bereich von Pigalle. Dazu kommen natürlich die großen Multiplex Kinos, zum Beispiel im Zentrum von Les Halles oder in Bercy.

Doch ist die Popularität von Kino in Paris nicht verwunderlich: Nicht nur schützt Frankreich seinen Film bis heute relativ erfolgreich vor Hollywood (unter anderem durch das nachlässige Übersetzen amerikanischer Filme) - das Kino wurde in dieser Stadt sogar erfunden! Das zumindest lernt man in Frankreich.

Am 28. Dezember 1895 veranstalten die Brüder Lumière die erste öffentliche Filmvorführung mithilfe ihres gerade erfundenen "Cinematographen". Das erste "Kino" - eigentlich eine Bar - liegt auf dem Boulevard des Capucines Nr 25, zwischen Madeleine und Oper. In unserem "Cinema"-Kurs an der Uni haben wir den Kassenschlager von damals gesehen: Ein Zug fährt in einen Bahnhof ein - spek-ta-ku-lär. Die Zuschauer damals sollen allerdings panisch aus ihren Stühlen aufgesprungen sein, befürchtend, jeden Moment von dem Zug auf der Leinwand überrollt zu werden.

Schließlich war Frankreich nicht nur die Wiege des Kinos - auch seine erste Hochburg. Das erste Hollywood - auch in Paris. Im 20. Arrondissement entstanden in der Stummfilmzeit die Studios von Charles Pathé. Der "Napoléon de Cinéma" baute ein ganzes Imperium des Films auf: Schauspieler, Filmproduktion, Filmverleih und Kinos - alles aus einer Hand und zwar auf der ganzen Welt. Pathé Filme wurden in den USA und in Indien gezeigt - und produziert. Eine Art früher Globalisierung. 1909 kommen 70 Prozent aller Filme auf der Welt aus den Studios von Pathé.

So wie alles böse aus dem Osten kommt, so kommt es auch für den Film: Der erste Weltkrieg, also irgendwie die Deutschen sind am Niedergang des ersten französischen Film-Imperiums schuld: Die Pathé-Studios produzieren Waffen und die Soldaten schauen während des Fronturlaubs amerikanische Streifen.

In einem anderen Kurs mit dem Titel "Debats contemporaires" behandeln wir auch gerade das Thema Film. Unser Dozent, der ältere Herr, den ich auch schon in "Expression orale" im letzten Semester hatte, schert sich einen feuchten Furz um seinen eigentlichen Lehrplan. Er will den Beweis antreten, dass früher alles besser war - und zeigt uns dazu 4 verschiedene Versionen von "Les Miserables". Die ersten beiden sind schwarz-weiß und laut unserem Dozenten den moderneren Versionen (vor allem der mit dem furchtbaren Gerard Depardieu) haushoch überlegen. Jede Bewegung, jedes Detail der Ausleuchtung - alles hat etwas zu bedeuten in den alten Streifen. In den neuen Farbfilmen ist doch alles beliebig und undurchdacht. Seit drei Sitzungen sind wir jetzt schon dabei mit ihm über die schlechte Qualität heutiger Kinofilme zu diskutieren und das Übel moderner Zeiten im allgemeinen zu ergründen. Mein Argument war, dass er schlecht ein Original mit drei "Remakes" vergleichen könne und da doch eher ein Original moderner Zeiten heranziehen solle.
Auf seine Gegenfrage, was ich denn vorschlagen würde, hatte ich keine wirklich überzeugende Antwort. Ich hätte vielleicht sagen sollen: "Inland Empire von David Lynch - da hat alles so viel Bedeutung, dass das ganze Kino stöhnt!"

Foto: Abendstimmung über den Dächern von Paris, von unserem Balkon aus gesehen.

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