Samstag, Februar 10, 2007

Einige Amerikaner in Paris: Ballett


Ich war zum ersten Mal in einem Ballett. Das American Ballet Theatre ist im Theatre Châtelet zu Gast und ein Freund ist auf der richtigen Uni, um billige Karten zu beschaffen.

Für fünf Euro stehen wir also in unseren feinen Sachen bald zwischen Leuten, die sich noch viel feinere Sachen leisten können - vor dem Theater. Die Damen in Pelz und Zentnern Schmuck, die Herren mit eleganten Anzügen aber meist ohne Hut. Ein Kleinbus kommt herangefahren, hält direkt vor dem Eingang des Theaters und spuckt eine Traube gut gelaunter schwarzer Amerikanerinnen aus. Diese Damen tragen ihren wohl verdienten Reichtum am offensichtlichsten zur Schau, unter ihnen ist eine Hollywood-Schauspielerin (wie Lee zu erkennen glaubt) und ihre dicke Freundin, die immerzu lacht und später im Saal quer über drei Stühlen liegt um mit "ihren Mädels" zu tratschen.

"Das ist die Filmmutter von Lindsay Lohan, als die durch einen chinesischen Glückskeks die Persönlichkeit tauschen" argwohnt Lee - muss später aber einsehen, dass Lindsay Lohan genauso weiß ist, wie ihre Filmmutter. Aber - wir werden die Damen aus Hollywood noch identifizieren.

Drinnen im Saal geht es golden zu. Auf sechs Stockwerken gibt es Ränge, von fast überall hat man einen ziemlich guten Blick auf die Bühne. Jedes Stockwerk hat opulent verzierte Balkone und samt-rot bezogene Klapp-Sessel. Im Orchestergraben bereitet sich das Orchester vor.

Dann geht das Licht aus, die Dicke wuchtet sich auf ihren ureigensten Platz zurück und das Murmeln erstirbt. Das erste Stück - Mozart - ist (für meinen ungeübten Kennerblick) sehr klassisches Ballett.
Viele kleine Mädels im Tütü tippeln fast perfekt synchron zur sehr schönen Musik. Doch das Ballett ist nicht lautlos. Das tippeln hört man ziemlich deutlich. Ich weiß nicht ob das so sein soll, aber ich finde es ein bisschen störend.
Dann kommt der einzige Mann in diesem ersten Teil auf die Bühne. Zuerst glaube ich, es handelt sich um einen glücklichen Gewinner aus dem Publikum, denn sein Part beschränkt sich zunächst auf gönnerhaftes Zusehen, Kopfnicken und Arme strecken. Er darf die Damen an den Hüften berühren, muss sich selbst aber nicht so sehr anstrengen. Erst gegen Ende gibt er eine kurze Kostprobe seines Könnens und zeigt dem Publikum sein gewaltiges Hinterteil.

Der zweite und dritte Teil übertreffen den ersten Teil sogar noch. Im Zweiten (Mahler - Kindertotenlieder) singt ein Tenor auf einer Bank sitzend, während die toten Kinder (es geht wohl um ein Fischerdorf, das der Sturm heimgesucht hat) ihr Ballett aufführen. Hin und wieder wird das Theater dumpf erschüttert, wenn die Metro unter dem Gebäude hindurch fährt.
Zum Schluss wird es amerikanisch-athletischer: Eine ganze Wagenladung Ballerinas und einige durchaus gut gebaute Tänzer begeistern den Saal. Zur "Minimal Music" von Philip Glass wird der Tanzstil stetig schneller und artistischer und kurz bevor der Bühnenboden nachgibt hört es auf und die Show ist gelaufen.

Und danach erstmal zum Pizzahut um wieder von dem ganzen Luxustrip herunter zu kommen.

Fotos: Das Theater Châtelet mit der Metro im Keller und: Ein Album von schwarz-weiß Bildern, dass ich eigentlich schon beim vorletzten Post online stellen wollte.

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