Samstag, Januar 20, 2007

Fahrt in die Bäder!


In den letzten Tagen ist über weite Teile Europas ein großer Orkan gezogen. Auch in Paris, im siebten Stock an unserem Fenster, hat es ziemlich gerappelt. Allzu schlimm ist es aber nicht geworden.
Ganz zufällig hatten wir schon länger zuvor für den Tag nach dem Orkan eine Fahrkarte nach Dieppe an den Ärmelkanal gelöst und so war zu hoffen, dass zumindest noch ein paar Wellen zu sehen sein würden.
Diesen Trip aufs Land hatte ich schon länger vor, einfach um mal wieder das Meer zu sehen und ein bisschen aus der Stadt heraus zu kommen. Spazieren gehen, mal was anderes riechen - diese bodenständigen Motive hatten mich zu der Reise animiert.
Der Zug fuhr durch eine sehr grüne Gegend, herrschaftliche Anwesen waren entlang der Strecke zu sehen, aber auch recht ärmliche Bauerndörfer, Kuh- und Schafweiden. Nach zwei Stunden Fahrt ab dem Bahnhof St Lazare hatte sich nicht nur die Landschaft deutlich verändert. Auch das Publikum im Zug wurde merklich ländlicher. Nachdem Lee und ich den Bahnhof in Rouen verlassen hatten saß uns gegenüber ein mittelalter Herr, der das Tuten der Eisenbahn immerfort nachahmte und dabei seinen nassen Hund auf dem Schoß streichelte. In der Sitzreihe hinter uns klingelte ein Handy mit Kuhgeräuschen als Klingelton.
Dieppe im Januar ist ziemlich ausgestorben. Während die Stadt im Sommer vor allem von Badegästen aus dem nahen Paris überlaufen wird, sind an diesem Tag außer uns nur wenige Passagiere bis an die Endstation gefahren. Der Hafen mit seinen Fischkuttern und den Seefrüchte-Restaurants am Kai liegt verlassen da.
Ohne Schwierigkeiten finden wir eine günstige Unterkunft und machen uns an die Erkundung der Ortschaft. Zum ersten Mal seit langem esse ich wieder Moule-Frites in einem der Fischrestaurants am Hafen.
Zu beiden Seiten der Stadt erheben sich steile Kliffs. Nach Osten steht auf dem Kliff, hoch über dem Meer, die Kirche zum Schutze der Seemänner und nach Westen eine kleine Burg. Dazwischen liegt die Strandpromenade mit ihrem Kiesel-Strand und der Hafen mit Fährverbindungen nach England. Die Luft ist salzig und an der Hafeneinfahrt weht ein starker Wind.
Große Brecher laufen auf die Mole auf und während ich versuche Bilder zu machen, werden wir ziemlich nass. Freunde von uns hatten kürzlich in Paris einen Schirm in unserer Wohnung liegen lassen. Nicht etwa um uns vor Regen zu schützen, sondern viel mehr um die Windstärke zu testen und lustige Fotos zu schießen haben wir ihn mitgenommen.
Am Abend wird es richtig dunkel. Nicht nur so dunkelgelblich wie am Pariser Nachthimmel sondern rabenschwarz. Wir finden schließlich ein kleines Restaurant in einer der Gassen etwas abseits vom Hafen, das trotz der Jahreszeit geöffnet hat. Undenkbar in Paris, aber hier können wir uns tatsächlich ein Restaurant leisten - um den Preis sehr neugieriger Blicke der einheimischen Stammkundschaft.
Das Meer bei Nacht, noch immer recht stürmisch, erinnert an kochende Milch - so weiß ist es im Kontrast zum schwarzen Himmel. Ein Angler sitzt allein in der Dunkelheit und hat seine Angelschnur in die hohen Wellen geworfen. Wenige Meter von der Küste entfernt schaukeln die schlafenden Möwen in der See - unbeeindruckt vom turbulenten Seegang.

Am nächsten Nachmittag geht unser Zug zurück "nach Hause". Das Landleben ist ruhig und erholsam, unser kleiner Auflug hat uns sehr gefallen. Doch auf lange Frist wäre es vielleicht ein bisschen trist geworden. In einer Hafenkneipe haben wir zu Mittag gegessen. Da sitzen die Leute in unserem Alter und machen den ganzen Tag garnichts - außer Lotto spielen, Kaffee trinken und mit dem Barmann quatschen. In Dieppe wird man entweder Fischer oder Wirt. Vier Stunden später versinken wir wieder in den Menschenmassen der Metrostation von Paris St-Lazare.

Fotos: Oben: Ankunft in Dieppe, Endstation - hundert Meter weiter beginnt der Ärmelkanal.
Unten: Eine Bildserie mit großer Welle (drauf klicken um besser zu sehen).

Außerdem: Eine Fotogalerie zu Dieppe gibt es > hier.


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