Samstag, Oktober 28, 2006
Bei den Guten
Sprösslinge großer Französischer Familien und sehr begabte Schüler aus aller Welt dürfen in Paris die Science Po besuchen. Alldiese und auch ich, lediglich mittelbegabter Sprössling einer ganz und gar unfranzösischen Familie. Es kommt eben auf die richtigen Bekanntschaften an - etwas, auf das in Frankreich noch sehr viel mehr Wert gelegt wird als anderswo. Vielleicht kommt mir das aber auch nur so vor, denn es verhält sich nun mal so, dass alle, die in Frankreich etwas zu sagen haben oder haben wollen in Paris sind. Und nach dem Gesetz der großen Zahlen ist es also sehr viel wahrscheinlicher in dieser Stadt die richtigen Leute kennenzulernen.
Im Endeffekt bin ich also quasi reingerutscht - in eine Vorlesung an der Science Po am Freitag Morgen, zum Thema "la naissance du liberalisme". Auf der Straße vor dem ehrwürdigen Gebäude in der Rue Saint Guillaume warte ich in einer Traube von lauter supergescheiten Studenten - dem besten was Frankreich in die Politik (und heutzutage noch vielmehr in die Wirtschaft) entlassen kann und fühle mich ein bisschen primitiv - nicht nur was den Kleidungsstil anbetrifft. Arnaud begrüßt mich mit beachtlich wenig Verspätung an diesem Morgen und auf dem Weg in den Vorlesungssaal begrüßt er noch kurz einen seiner Studienkollegen - den Sohn des französischen Botschafters in Polen - der aber seinerseits gerade in eine Konversation mit anderen Konsulars- Aristokraten- und Wirtschaftsgrößen-Söhnen vertieft zu sein scheint.
Der Professor heißt Raynaud und soll auf seinem Gebiet in Frankreich eine der ganz großen Leuchten sein, bringt aber selbst wenig Esprit in die Veranstaltung. Hinter dem mächtigen Pult des Hauptvorlesungssaals des Gebäudes sieht man kaum mehr als seinen breiten Kopf. Auf die Ellbogen gestützt erzählt er ungerührt von den Theorien von Hobbes und Locke und seine Aussprache ist so unbemüht, dass mir regelmäßig die letzten Worte seiner langen Sätze entgehen. Dennoch komme ich nach einiger Zeit ganz gut rein und verstehe die Mehrheit dessen, was er zu berichten hat.
An meiner eigenen Uni in Creteil, die wohl eher mit einer deutschen Fachhochschule zu vergleichen ist, habe ich noch ein bisschen darüber gelächelt, wie emsig sämtliche Studenten den Stoff der Vorlesungen mitschreiben um ihn dann auswendig zu lernen. Mit leichter Verwunderung stelle ich nun fest, dass es auf der besten Schule des Landes kein bisschen anders zugeht. Auf allen Bänken liegen Blöcke oder klappern die Tastaturen der Laptops und mit akribischer Sorgfalt wird jedes Detail notiert. Auch hier ist die Devise: Auswendiglernen, was der Professor vorbetet. Aber eben in einer edleren Atmosphäre.
Nach der Vorlesung steht noch ein kurzes Treffen mit einer Kommilitonin von Arnaud auf dem Plan, die ihm einen polnischen Text korigieren soll. Anschließend gehen wir einige Straßen weiter in die nächste Mensa von "Crous de Paris". Hier fühle ich mich dann nicht mehr ganz so abseitig. Auch ganz "normale Studenten" von der Sorbonne sind da.
Fotos: Oben: Arbeitstreffen in der Cafeteria, Unten: Der "Pausenhof" von Science Po.
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