Dienstag, September 26, 2006

Le choix intertemporel


Manchmal wird man auch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, was den sprachlichen Fortschritt anbelangt. Einen ganzen Film - so habe ich gestern Abend gemerkt - verstehe ich eben doch noch nicht. Und wenn das ganze Kino lacht bin ich manchmal noch immer total ahnungslos. (Wir haben die meisten Gags nachher nochmal durchgesprochen, damit es nicht ganz umsonst war.)
Oder später - als wir im Café sitzen und Arnaud fordert "Simon, fang endlich an den Subjonctif richtig zu benutzen! Du bist schon drei Wochen hier!"

Die wirkliche Herausforderung aber ist die Uni. Hier muss ich die Sprache verstehen, um am Ende zumindest in manchen Fächern eine Prüfung ablegen zu können. Heute würde es soweit sein - auch wenn ich noch immer keinen festen Stundenplan habe - so vermutete ich mal, dass die heutigen Kurse einen Besuch wert seien.

Der erste ernste Tag an der Uni. Von anderen ERASMUS-Studenten ist erstmal keine Spur zu finden. Mein Kurs - den ich mir herausgesucht habe auf den Verdacht hin, dass er so ähnlich klingt wie ein Kurs in Deutschland, den ich noch belegen muss - heißt Economie Monetaire International.

Ich bin etwas zu früh vor meinem Vorlesungssaal und habe noch etwas Zeit mir die anderen Stundenten in der Aula anzusehen. Vollkommen unstudentisch kommen mir die vor, eher wie eine Mischung aus Oberstufenschülern und Gangster Rappern.
Madame Duchene, die Dozentin, ist dann doch eher die typische Lehrerin mit dem schmalen Gesicht, den dünnen Armen - und einer sehr sehr leisen Stimme.

Wichtig ist, dass Franzosen mit mir laut und deutlich reden, damit ich all die kleinen Worte, die so schnell verschluckt werden verstehe. Dieser Anforderung kommt Madame Duchene erstmal nicht nach. Nach etwa einer viertel Stunde habe ich mich dann aber hineingehört und verstehe sie ganz gut. Allerdings erfordert es eine ungemeine Konzentration - eine kleine Unaufmerksamkeit von mir und der ganze Absatz kann verloren sein.

Madame Duchene erklärt heute Morgen le choix intertemporel - mit und ohne der Sicherheit über die Zukunft. Das ist schon relativ anschaulich mit vielen Formeln und Modellen, die ich in ähnlicher Form schon mal gesehen habe. Madame Duchenes Tafelbild hilft ein bisschen, allerdings wird mir dabei auch die Bedeutung einer klar lesbaren Schrift deutlich. Diejenigen die die Sprache sicher beherrschen, können bei unlesbaren Zeichen leicht darauf schließen was es heißen soll - ich aber leider nicht. Meine Banknachbarn helfen mir da gelegentlich weiter.

Während der Vorlesung rätsele ich außerdem weiterhin ob das nun der Kurs ist, der mir weiterhelfen könnte. Außerdem stelle ich mit schrecken fest, dass es einen weiteren gleichnamigen Kurs am Nachmittag geben wird. Nochmal drei Stunden - das wäre aber langsam anstrengend!

In der Pause bin ich ziemlich fertig von dem ganzen Mithören und gehe zu Madame Duchene, um sie um Rat zu fragen. Doch da ist es wieder: Das unbestimmte Gefühl, dass mein Französisch manchmal nachlässt: Ich stelle eine Frage wie zum Beispiel: "Wissen Sie ob dieser Kurs für meinen deutschen Kurs anerkannt wird?" Madame Duchene beginnt zu sprechen. Madame Duchene hört auf zu sprechen. Nächste Frage. Während des "Gesprächs" kommt mir die klassische Konditionierung in den Kopf und ich frage mich insgeheim ob ich nur irgendwas auf französisch sagen müsste, damit Madame Duchene zu sprechen beginnt. Wenn sie mich dabei beschimpfen würde - würde ich es merken?

Der nächste Lehrer ist ein angenehmer Erzähler, der Kurs heißt genauso wie der erste, geht ebenfalls drei Stunden lang, scheint aber von etwas ganz anderem zu handeln. Keine Theorien werden hier verbreitet, der kräftige Mann im Business-Anzug und den weißen Haaren erzählt von Börsenplätzen, Derivaten-Handel und so weiter. Zuhören geht bei ihm recht leich und obwohl ich schon drei Stunden konzentriertes Französisch hinter mir habe geht das alles erstmal ganz gut. Bis er dann anfängt zu diktieren. Das üben wir dann beim nächsten Mal wieder...

Foto: Der kaputte Fußball - Denkmal in Creteil zur gerade verlorenen Fußball-WM.

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